Die Salzburger Festspiele dürfen, ja müssen elitär und exklusiv sein

Das teuerste Festival der Welt darf sich nicht mit Allerweltsprogrammatik rechtfertigen. Die Maximierung des Kartenangebots hat ihm geschadet.

Die Salzburger Festspiele gehen in die Schlussrunde. Die großen Premieren sind vorbei. Und via Agentur werden bereits erste bilanzähnliche Gedanken heimischer Politiker getickert. So weiß etwa der Bürgermeister der Festspielstadt aus dem Arbeitsleben eines Festspielkurators zu berichten: Für Heinz Schaden sieht die Lage im Festspielbezirk geradezu rosig aus. Nicht nur, weil man von den fast 62 Millionen Euro, die im Vorjahr noch zu budgetieren waren, zwölf wieder einsparen konnte und die Sache finanziell nun nicht mehr „heillos überdehnt“ ist, um mit den Worten des Politikers zu sprechen.

Auch die simple Tatsache, dass er als Kurator dem früheren Intendanten Alexander Pereira nicht mehr begegnen muss– zumindest nicht mehr dienstlich –, erfreut den Bürgermeister sichtlich. Er wolle da nicht selbst sprechen, zitiere nur die Aussage eines Kuratorenkollegen, der namentlich nicht genannt sein möchte, aber jedenfalls, so wörtlich, in die Kuratoriumssitzungen „immer mit Bauchweh gegangen ist“. Dieses Bauchweh ist mit Pereiras Abgang offenbar gewichen. Das ist ja schon allerhand.

Auch sei heuer künstlerisch „nichts wirklich Negatives“ zu verzeichnen gewesen, sagt Schaden. Man fragt sich, worum es bei Festspielen überhaupt geht. Wenn die Bewertungskriterien der zuständigen Politiker lauten: Vermeidung von Unterleibsbeschwerden während der Kuratoriumssitzungen und möglichst wenig „wirklich Negatives“, bleibt doch offen, was denn eine künstlerisch „wirklich positive“ Festspielbilanz enthalten sollte.

De facto präsentiert sich der Spielplan des Festivals, um bei der Nomenklatur des Bürgermeisters zu bleiben, als „heillos überdehnt“, was das Angebot an Veranstaltungen betrifft.

Man muss sich in Erinnerung rufen, was die Salzburger Festspiele einmal waren: Die Idee der Gründerväter war eine Art Leistungsschau europäischer (Musik-)Theaterkunst. Eine Elite von Künstlern sollte in den Ferien zeigen, was sie unter besten Voraussetzungen kann.

Über die Jahrzehnte hin hat man verstanden, diesen elitären Anspruch aufrechtzuerhalten. Er allein rechtfertigt wohl auch die Höhe der Eintrittspreise. Allein, das Wort „elitär“ ist heute verpönt. Entsprechend angereichert hat man denn auch den Salzburger Veranstaltungskalender, der – wohl bewusst – eher an ein zeitgemäß „breit aufgestelltes“ Kulturjahrmarktstreiben erinnert.

Aus diesem picken sich die Besucher freilich nach wie vor jene Namen heraus, von denen sie meinen, dass sie für Spitzenqualität garantieren: Ausverkauft waren 2015 nur jene Aufführungsserien, in denen Anna Netrebko und Jonas Kaufmann angekündigt mitwirken.

Nun ließe sich mit Fug und Recht behaupten, es sei die Aufgabe von Festspielen, dem Publikum auch zu zeigen, was weniger glamouröse Künstler zuwege bringen. Qualität ist ja nicht immer eine Sache der Berühmtheit. Das stimmt. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Die Maximierung des Kartenangebots, die man in Salzburg seit Jahren betreibt, kann niemals mit einem ebenso steilen Anstieg der Qualitätskurve einhergehen. Spitzenleistungen sind per definitionem rar. Also kann eine taugliche Ideologie für das teuerste Festival nur die Konzentration, die Auslese auf ihre Fahnen heften.

Insofern hat der Salzburger Bürgermeister recht: Alexander Pereira hat mit der Hinzufügung einer „geistlichen Ouvertüre“ das Angebot noch um eine Woche ausgedehnt und wirklich überspannt. Salzburg, das bedeutet nicht mehr Exklusivität, sondern ein Sammelsurium. Natürlich entspricht es dem Zeitgeist, wenn sich nicht nur die Crème de la Crème des internationalen Musikbetriebs ein Stelldichein gibt, sondern auch Jugendorchester musizieren, zeitgenössische Komponisten ihre jüngsten Werke vorstellen dürfen. Nur: Das gibt es wirklich überall in der Welt – jedes Kuratorium vergibt ganz ohne Bauchweh Mittel für die Jugendförderung und die Förderung der lebenden Künstler.

Das teuerste Festival der Welt aber lässt sich durch solche Allerweltsprogrammatik nicht rechtfertigen. Diese Überlegung sollte Kuratoren zwar möglichst keine Kopfschmerzen bereiten, aber sie sollte ihnen zu denken geben.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2015)

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