Österreich ging nicht nach Zentraleuropa, es war schon dort

Die Osteuropa-Strategie heimischer Firmen – allen voran der Banken – brachte und bringt viele Risken. Dennoch war es die einzig richtige Entscheidung.

In Prag gibt es zurzeit erfreuliche Nachrichten, die man in Wien schon lang nicht mehr gehört hat. So konnten die böhmischen Statistiker erst in der Vorwoche vermelden, dass die Wirtschaft unseres nördlichen (!) Nachbarlandes im zweiten Quartal wesentlich stärker als erwartet gewachsen ist. Um 4,4 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt zwischen Karlsbad und Olmütz gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Das ist nicht nur in relativen Zahlen deutlich mehr als die kümmerlichen 0,3 Prozent, die das Wifo für Österreichs Wachstum im Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni prognostiziert. Es ist genug, damit sich die Wohlstandslücke zwischen nördlichem und südlichem Ufer der Thaya auch absolut wieder ein wenig schließt. Ähnlich positiv sind die Erwartungen in Warschau, Laibach, Bratislava und sogar in Budapest.

Es sieht also so aus, dass zumindest in den zentralosteuropäischen Staaten (und daneben in einzelnen Ländern wie Rumänien), die auch allesamt EU-Mitgliedsländer sind, die Wachstumsschwäche der vergangenen Jahre überwunden ist. Für Österreich ist das eine äußerst erfreuliche Nachricht. Denn die Nachbarstaaten und in weiterer Folge die Länder Osteuropas und des Balkans sind nicht nur wichtige Handelspartner. In diesen Ländern erwirtschaften viele österreichische Firmen mit ihren Tochtergesellschaften nach wie vor einen Großteil ihrer Gewinne.

Bestes Beispiel dafür sind die heimischen Großbanken, die in den vergangenen Tagen ihre Zahlen für das erste Halbjahr vorgelegt haben. Selbst in Russland, jenem Land, das aufgrund des Rohstoffverfalls und des politisch-militärischen Konflikts in der Ostukraine in eine veritable Rezession gerutscht ist, konnten die beiden dort aktiven Institute Raiffeisen und Bank Austria allein in den ersten sechs Monaten gemeinsam noch deutlich mehr als 300 Millionen Euro an Nettogewinn erwirtschaften. In Form der Bankenabgabe (die von der Bilanzsumme berechnet wird) profitiert davon auch der österreichische Staat.

Es wäre daher wohl an der Zeit, dass sich auch die öffentliche Wahrnehmung von Geschäften in Osteuropa an die aktuellen und realen Gegebenheiten anpasste. In der Vergangenheit hat diese ja zwei völlig diametrale Phasen durchgemacht. Anfangs war die blauäugige Euphorie, wonach es im Osten nur nach oben gehen konnte. Eine Zeit, in der vor allem auch die heimischen Bankmanager jegliches Gefühl für Risiko verloren haben. Das, und wohl auch kriminelle Machenschaften, haben Österreich in Form der Hypo Alpe Adria in der Folge auch das größte Wirtschaftsdebakel der Zweiten Republik beschert.

Als 2008/09 dann die Krise ausbrach, schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus. Und ja, anfangs war es auch ziemlich knapp, dass sich Österreich aufgrund des Banken-Exposure in der Größenordnung eines gesamten Jahres-BIPs in Osteuropa beinahe in die Reihe der europäischen Pleitestaaten einreihen musste. Hier muss sogar der an dieser Stelle nicht selten gescholtene US-Ökonom Paul Krugman vor dem – immer noch währenden – heimischen Spott in Schutz genommen werden, dessen damalige Aussagen dazu zwar etwas überspitzt waren, aber den Kern der Wahrheit getroffen haben.

Seither hat sich jedoch einiges getan. Die Banken haben für Milliardenrisken in ihren Bilanzen vorgesorgt und durch die notwendige Regulierung ihre Kapitalquoten deutlich erhöht. Das wohl Wichtigste ist jedoch: Nicht zuletzt durch den öffentlichen Druck scheint auch wieder etwas mehr Demut in die Managementebenen eingekehrt zu sein.

Natürlich sind längst noch nicht alle Risken ausgeräumt. Das zeigte das Vorjahr, als Russland und die Ukraine innerhalb von Monaten kippten. Das zeigt Polen, wo im derzeitigen Wahlkampf Geschenke auf Kosten der ausländischen Banken verteilt werden.

Die Regulierungsbehörden tun also gut daran, weiter danach zu trachten, dass das Risiko der „Too big to fail“-Institute minimiert wird. An der grundsätzlichen Erfolgsgeschichte des österreichischen Engagements in Osteuropa ändert das aber nichts.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Drei Mal Osten: Wer Hoffnung und wer Kummer macht

Während Russland und die Ukraine zurzeit vor allem Hiobsbotschaften liefern, mausern sich die meisten EU-Länder im Osten zu soliden Wachstumsmotoren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.