Mephisto und der Banker im Flüchtlingsdrama

Das FPÖ-Feindbild Christian Konrad wird Flüchtlingskoordinator. Gut so. Aber auch die Freiheitlichen leisten – wider Willen – einen Beitrag zur Entspannung.

Die Bürgermeister werden sich wahrscheinlich schwertun, wenn Christian Konrad mit der gefühlten „Raiffeisen-Macht“ im Hintergrund auftaucht, dessen Wünsche zu ignorieren. So gesehen ist das Engagement des früheren Raiffeisen-Generalanwalts, der noch immer etliche Funktionen im Konzern inne- und darüber hinaus nach wie vor großen Einfluss auf das Geschehen in der Republik hat, die wohl gelungenste Aktion der Regierung in der Flüchtlingsfrage in diesem Sommer.

Nun kann man sich jedoch mit Recht die Frage stellen: Wozu braucht es überhaupt einen eigenen Flüchtlingskoordinator von außen? Gibt es nicht ohnehin Beamte in den zuständigen Ministerien dafür? Eigentlich schon. Doch die Realverfassung in diesem Land ist eben immer noch so, dass die kleinen Mächtigen eher bereit sind, etwas zu tun, wenn die großen Mächtigen es wollen. So ähnlich kennt man das ja auch von Auslandsreisen in Ländern mit eher patriarchaler Struktur: Der Bundespräsident öffnet die Türen, durch die der Wirtschaftsminister und die Unternehmer dann hindurchschlüpfen.

Christian Konrad ist von der Grundvoraussetzung her ein geeigneter Mann für diesen Job: gut vernetzt, erfahren im Geldaufstellen, ein Pragmatiker mit sozialem Gewissen. Einer, der ob seines bisherigen karitativen Engagements auch bei der Linken über eine gewisse Street Credibility verfügt. Seine Koordinatorentätigkeit könnte im realen Alltag der Menschen, der Flüchtlinge wie der einheimischen Bevölkerung, eine Verbesserung bewirken. Denn nicht nur die Bürgermeister, sondern auch Landeshauptleute wie Erwin Pröll werden sich den Ansinnen Christian Konrads wohl nicht gänzlich verschließen. Trotz manch schwieriger Phasen in dieser On/Off-Beziehung in der Vergangenheit.

Allerdings: Christian Konrad polarisiert auf der anderen Seite. Für die Freiheitlichen ist der erklärte FPÖ-Gegner ein Feindbild, dessen Bestellung eine Provokation. Der „Raiffeisen-Krake“ mit Konrad im Zentrum gilt dort als Synonym für den rot-schwarzen Machtmissbrauch. Mit Betonung auf schwarz natürlich. Ähnlich sieht das auch die „Kronen Zeitung“.

Die politische Frontstellung wird also durch Christian Konrads Bestellung nicht geringer werden. Man würde es sich allerdings zu leicht machen, die Auseinandersetzung in der Flüchtlingsfrage in ein simples Schwarz-Weiß-Raster zu setzen: dort die böse FPÖ, da die guten anderen Parteien.

In Österreich brennen, im Gegensatz zu Deutschland, keine Flüchtlingsheime. Und es spricht einiges für die These, dass das auch mit der FPÖ zu tun hat: einer in den parlamentarischen Prozess eingebundenen traditionellen Partei, die den Protest auf der rechten Seite einigermaßen kanalisiert. Natürlich befeuert sie ihn auch – nicht zuletzt in Wahlkämpfen. Aber durch diese Einbindung in den normalen parlamentarischen Prozess mildert sie diesen Protest auch ab.

Es muss in Österreich keiner auf die Straße gehen und außerparlamentarische Opposition spielen, um sich Gehör zu verschaffen. Es reicht, wenn er sein Kreuz bei der FPÖ macht. Man sah das etwa auch beim Versuch, die Pegida-Bewegung nach Österreich zu importieren. Es blieb beim Versuch – und dieser ist eindrucksvoll gescheitert. Mit der FPÖ ist es ein wenig wie mit Mephisto aus Goethes „Faust“: „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“


Mit einem Flüchtlingskoordinator allein wird es freilich nicht getan sein. Aber es ist zumindest eine Verbesserung des Status quo in Sicht. Eine Abmilderung des Problems kann nur auf europäischer Ebene geschehen – eine echte Lösung ist überhaupt nur möglich, wenn sich die Situation in den Herkunftsländern ändert. Was man in Österreich tun kann, neben der alltäglichen Bewältigung der Flüchtlingskrise vor Ort, ist die Schaffung eines Bewusstseins für zweierlei Einsichten: dass jene, die verfolgt werden, Asyl zu den bestmöglichen Bedingungen bekommen müssen. Und dass jene, die nicht verfolgt werden und aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen wollen, eben wieder gehen müssen. Damit jene einen Platz haben, die ihn wirklich brauchen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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