Der 11. Oktober verändert mehr das Land als die Stadt

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FLAGGE(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Die Wien-Wahl könnte für SPÖ und Regierung eine Zäsur bringen. Bürgermeister wird Heinz-Christian Strache keinesfalls – besser für ihn und die Stadt.

In einer an Absurditäten reichen Wahlauseinandersetzung sprangen ausgerechnet die in Inseratenfragen unverdächtigen Neos ins gut gefüllte Fettnäpfchen. Mit Anlauf. Medien in Oberösterreich und Wien wurde ein „Erfolgsmodell“ bei Inseraten und TV-Werbung angeboten: Schafft die kleine Partei ein bestimmtes Ziel – also den Einzug in Linz oder ein zweistelliges Ergebnis in Wien –, bekommt das Medium eine Prämie. Die Partei, die zu Recht die Inseratenpolitik der Stadt kritisiert, dürfte sich bei dem Thema keine Flanke öffnen. Zumal die Neos von Medien ohnehin gehätschelt werden – etwa im Vergleich zur tatsächlich lahmen ÖVP. Sie lässt auf manchen Plakaten doch tatsächlich ein wenig Wirtschaftsliberalismus aufblitzen. Aber das sind alles ohnehin nur Fußnoten in der Geschichte der Stadt Wien.

Diese werde am 11.Oktober völlig neu geschrieben. Das sagen viele innenpolitische Katastrophentouristen mit wohligem Schauern. Das rote Wien werde zugunsten einer blauen Protestbewegung verschwinden und endlich herrsche das wohlverdiente Chaos, das die selbstzufriedene Stadt und ihre zum Teil gut genährten Bürger verdient hätten. Das nennt man schlicht Zynismus. Nicht, dass es nicht gute Gründe dafür gäbe, die Wiener SPÖ einmal auf die Oppositionsbank zu schicken und mit einem Regierungswechsel nach 100Jahren SPÖ-Dominanz der Stadt und ihren Finanzen neue Impulse zu geben. Aber dafür würde man eine neue Regierungspartei benötigen, und die gibt es nicht. Grüne, ÖVP und Neos – in Reihenfolge ihres vermutlichen Abschneidens – sind politische Zwerge.

Und die einzige Alternative ist keine. (Erhard Busek war tatsächlich die letzte echte.) Denn die Freiheitlichen würden auch mit Platz eins keine Mehrheit im Gemeinderat erreichen. Selbst wenn dieses Kunststück gelänge, wie wollen ausgerechnet die Freiheitlichen eine Stadt regieren, die von roten Parteigängern organisiert, geputzt und versorgt wird? Die Stadt wäre schwer regierbar, die Magistratsbeamten würden wohl mit allen Mitteln zu beweisen versuchen, wie gut Wien unter SPÖ-Führung verwaltet war. Das wäre ein amüsantes Experiment.

Ein Erfolg für die FPÖ wird die Wahl in Wien mindestens ebenso sicher wie ein schmerzhafter Verlust für die SPÖ. Vielleicht verändert dies den ewigen Reiter des hohen Rosses.

Aber die politischen Auswirkungen auf Österreich werden ohnehin weit wichtiger als jene auf Wien sein. Es geht um die entscheidende Frage: Wie hält es die SPÖ und damit bis auf Weiteres auch die Regierung mit dem Thema Flüchtlinge? Michael Häupl und seine Innenbezirksstadträte stehen für eine humanitäre Auslegung: Es gibt (vorerst) keine Obergrenze für politische Flüchtlinge. Das Land und seine Steuerzahler haben die humanitäre Pflicht, sich um diese Menschen zu kümmern. Punkt.

Nie zuvor in Österreich ist ein Politiker mit solch einer für viele unpopulären Botschaft in eine Wahlauseinandersetzung gegangen. Und das frontal. Dagegen steht Heinz-Christian Straches 20-Prozent-Asylquote – der Rest sind Wirtschaftsflüchtlinge und soll wieder gehen. Fällt (oder verliert) Häupl (stark), wird der Druck auf eine wesentlich rigidere Politik zunehmen und die Regierung an der Asylgesetzschraube drehen.

Ähnlich verhält es sich mit der Frage Rot-Blau. Es sind vor allem die Neos, die gegenüber den roten Genossen persönlich werden. Heinz-Christian Strache hält sich im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen mit Attacken auf einzelne SPÖ-Politiker zurück. Wieder gilt: Kommt Häupl unter die Räder, wird Rot-Blau wieder ganz schnell Thema, die Befürworter werden wesentlich lauter werden.

Für die Volkspartei ist die Wahl damit nicht nur wegen der möglichen Aufgabe einer Bald-zwei-Millionen-Einwohner-Stadt eine entscheidende Wahl. Im Rückspiegel betrachtet waren die vergangenen Wiener Landtagswahlen eine ziemlich harmlose Lokalkoloritveranstaltung. Essenzielle Fragen werden diesmal beantwortet.

Mehr zum Thema: Seiten 1–3

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2015)

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