Und was nun, Straches Männer?

Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP), Kanzler Faymann (SPÖ)
Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP), Kanzler Faymann (SPÖ) REUTERS
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Oberösterreichs politisches Erdbeben müsste Kanzler und Vizekanzler endlich wecken. Das passiert vermutlich erst, wenn Strache das Kanzleramt aufsperrt.

Landeshauptmann Josef Pühringer steht vor den Scherben seiner politischen Karriere. Es wird ihn auch nur bedingt trösten, dass er am Sonntag nicht seine Regionalwahl verloren hat. Sondern eine nationale Wahl in seinem Bundesland. Oberösterreich hat nicht etwa gegen Schwarz-Grün gestimmt und die FPÖ als Koalitionspartner empfohlen. Mehr als ein Drittel der Oberösterreicher haben ihren Unmut, haben ihre Ängste auf dem Wahlzettel manifestiert. Das Land ist nicht geschwenkt, hat nicht das Mitgefühl der Helfer vom Wiener Westbahnhof zur kollektiven Haltung erhoben. In Oberösterreich stimmten zwei Drittel für eine mehr oder weniger scharfe Grenzen-dicht-Politik, auch die ÖVP vertrat dort diese Linie zuletzt.

Zwölf Jahre konstruktive schwarz-grüne Regierungsarbeit nach dem Motto „Lederhose, Laptop und Biokarotten“, die viele neue Umweltstandards und passable Wirtschaftsdaten erbracht hat, sind Geschichte. Das Thema Flüchtlinge hat all das hinweggefegt. Für diesen Befund bedarf es keiner Wählerstromanalysen.

Auch wenn sich in diesen Stunden Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner in Autosuggestion üben, sich jeweils selbst versichern (lassen), dass die Legislaturperiode im Bund noch drei Jahre dauert und in dieser Zeit noch viel Positives passieren kann, sich Umfragen ständig ändern und Heinz-Christian Strache nach Ibiza auswandern könnte. Es wird nicht gelingen: Das Flüchtlingsproblem wird in und für Europa andauern und an Stärke zunehmen.

Und nein, es ist sehr wohl ein Problem, wenn Länder nicht wissen, ob sie Hunderttausende ins Land lassen sollen und wenn ja, haben sie keine Ahnung, was sie mit ihnen tun sollen. An dieser Stelle verzichten wir, notwendige Reformen (Pensionen bis Verwaltung) und Probleme (Schulen bis Schulden) aufzulisten, an denen die nur bedingt freiwillige Koalition regelmäßig scheitert.

Das Verheerende am Wahlausgang in Oberösterreich ist: Der Kanzler und der oberösterreichische Vizekanzler wurden weiter geschwächt, werden noch ängstlicher auf ihre Funktionäre und Klientel schielen und noch weniger Mut haben, unpopuläre Maßnahmen zu setzen. Die ÖVP-Riege wird nach rechts schwenken und panisch Grenzkontrollen fordern, ohne ein größeres Konzept zu haben.

Zynisch, aber wahr: Die Wiener Genossen freuen sich über die Niederlage von ÖVP und SPÖ in Oberösterreich. Erstens wirkt das Risiko eines FPÖ-Sieges in Wien plötzlich realer. Zweitens kann die Wiener SPÖ wieder ihr liebstes Gespenst aus der Klamottenkiste holen. Da der oberösterreichischen ÖVP kaum etwas anderes übrig bleiben wird, als mit dem Wahlsieger FPÖ zu verhandeln. (Mit den Grünen fehlt die Mehrheit, mit der Verliererpartei SPÖ geht die Abwärtsspirale weiter, siehe Bundespolitik. Ab Montagfrüh darf also wieder in Wien vor dem schwarz-blauen Faschismus gewarnt werden. (Dass dieser in Eisenstadt im rot-blauen Kleid gar nicht so schlimm sein dürfte, ist zwei Wochen vor der Wahl nur ein überflüssiges Detail.)

Die Wahrheit des 27. September lautet: Die Regierung arbeitet in enger Kooperation mit lokalen Politikern und befreundeten Medien daran, Heinz-Christian Strache ins Kanzleramt zu befördern. Sie sind nichts anderes als seine darüber empörten Wahlhelfer.

Selbst in der FPÖ wird Strache zu Recht gerügt, inhaltlich wenige bis keine Konzepte zu liefern, wie die FPÖ regieren würde. Das wenige, was man von Strache beim Thema Flüchtlinge weiß, ist: Politisches Asyl wird gewährt, gegen Missbrauch scharf vorgegangen. Und ab einer gewissen Anzahl – to be defined – an Zuwanderung wird es zu viel. Stimmt. Sonst?

Statt antifaschistische Posen einzunehmen, wäre es an der Zeit, sich mit Strache endlich inhaltlich auseinanderzusetzen. Und vor allem vorher eine gemeinsame klare Position zum Thema Flüchtlinge zu finden und zu halten. Und nein, Flüchtlinge in der Hoffnung willkommen zu heißen, sie mögen weiterziehen, ist keine Position.

Um es in „Krone“-Knappheit zu formulieren: Kanzler, Vizekanzler, es ist fünf nach zwölf!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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