Richtungskämpfe in der Kirche? Franziskus hat längst gewonnen

Sept 30 2015 Vatican City State Holy See POPE FRANCIS during his wednesday general audience i
Sept 30 2015 Vatican City State Holy See POPE FRANCIS during his wednesday general audience i(c) imago/ZUMA Press
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Am Sonntag beginnt im Vatikan ein Minikonzil. 400 Bischöfe aus allen Kontinenten diskutieren über Familie, Ehe, Scheidung und Sexualität.

Selbstverständlich existieren unter den Bischöfen und Kardinälen dieser Welt teilweise beachtliche Unterschiede, wie Tradition und Lehre der katholischen Kirche beziehungsweise die Botschaft des Evangeliums im Hier und Heute buchstabiert zu werden hat. Wie die Kirche Geschiedenen – um eines der besonders kontroversiell debattierten Probleme zu nennen – gegenübertreten soll, die zivilrechtlich noch einmal geheiratet haben (und die nicht sexuell enthaltsam bleiben, wie sie das in orthodoxer Auslegung des Kirchenrechts eigentlich müssten). Natürlich werden Allianzen gebildet, Intrigen geschmiedet, Versuche unternommen, Druck auszuüben. Der katholischen Kirche ist eben nichts Menschliches fremd.

Interessant, dass sich selbst elf Kardinäle dazu hergegeben haben, in einer Publikation gegen die Linie von Franziskus aufzutreten. Nur elf, muss man gleichzeitig sagen, denn derzeit sind 218 Männer auserwählt, den Purpurhut tragen zu dürfen. Unter einem anderen Papst wäre die Vorladung in die Glaubenskongregation wohl das Minimum an Disziplinierungsmaßnahme für die Herren gewesen.

Wenn Papst Franziskus an diesem Sonntag im Vatikan also die 14. Ordentliche Bischofssynode eröffnen wird, dann eröffnet er die bereits im Vorjahr begonnene Diskussion neu. Für drei Wochen ziehen sich 400 Bischöfe und 100 Experten zu den Beratungen über das große Thema Familie zurück, zu einer Art Minikonzil. Viele Hoffnungen und Befürchtungen werden im Vorfeld geäußert. Es entspricht massenmedialer Logik, Gegensätze mit Hingabe herauszuarbeiten, zuzuspitzen, sich auf Konflikte zu konzentrieren, manchmal welche zu konstruieren. Ja, es gibt Grabenkämpfe in der katholischen Kirche. Das war immer so. Tatsächlich hat sich Franziskus aber längst durchgesetzt. Um es – Zuspitzung! – deutlich zu sagen: Er hat den Kampf gegen die Bewahrer, die strengen Hüter der vermeintlich reinen Lehre, die nicht selten erstaunlich leer klingt, längst entschieden.

Wie das? Nun, Franziskus hat erstmals in der Kirchengeschichte eine breite Diskussion verlangt – und diese bekommen. Nicht nur zum Zölibat Verpflichtete, auch Laien an der Basis, ob allein, verheiratet, in hetero- oder homosexueller Partnerschaft lebend oder geschieden, haben Fragen beantwortet. Fragen zu ihren Lebensumständen und der Bedeutung dessen, was die Kirche zu Themen wie Familie, Scheidung und Sexualität predigt. Mehr noch, die Antworten verschwanden nicht in den Untiefen vatikanischer Archive, sondern wurden in die Texte zur Vorbereitung der Synode eingearbeitet.

Mitverantwortlich dafür ist ein Mann, der an maßgeblicher Stelle bereits dem dritten Papst zuarbeitet: Christoph Schönborn. Der Kardinal personifiziert zu Beginn seines dritten Jahrzehnts auf dem Stuhl des Wiener Erzbischofs wie kaum ein anderer den Wandel, wie ihn die katholische Kirche vollzogen hat. Immerhin war es Schönborn, der für Johannes Paul II. unter der Ägide Joseph Ratzingers, des späteren Benedikt XVI., den Katechismus verfasst hat. Der wieder zeichnet sich – nicht nur, aber an entscheidenden Stellen doch – durch rigide, kasuistische Herangehensweise aus.

Diesmal liegt Schönborn in der Vorbereitung der Synode voll auf Franziskus-Kurs. Und Schönborn war auch einer der Wortführer in den Beratungen der Bischöfe im Vorjahr. Er fordert im Umgang mit jenen, die die Ideale der Kirche nicht oder noch nicht erreichen, Barmherzigkeit, keine Verurteilung, ein Heilen von Wunden, nicht ein Aufreißen neuer. Die Kirche dürfe nicht eine Kirche der „Reinen“ der „Hundertprozentigen“ sein, lautet sein Credo. Selbst wenn es beiden wahrscheinlich schadet: So oder ähnlich könnte das Helmut Schüller formulieren.

Insgesamt gibt es kein Zurück mehr hinter Franziskus und seine Vorgaben. Zu klar hat er sich zu vielen Themen bereits geäußert, als dass ein grundlegender Backlash erfolgreich sein könnte. Selbst wenn ihm die Mehrheit der Bischöfe die Gefolgschaft verweigert. Dem Papst allein obliegt es, seine Schlüsse aus der Synode zu ziehen. Franziskus kann, Politiker mögen vor Neid erblassen, Kraft seines Amtes entscheiden, mit oder ohne irgendeine Form von Mehrheit. Schließlich ist er im Marsch durch die Institution ganz oben angekommen.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2015)

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