Auch Heinz-Christian Straches Stimmen sind nur geliehen

Wenn ein Duell den Duellanten nützt, hat auch die FPÖ davon profitiert. Was sagt das über ihr Potenzial? Und wann gewöhnen wir uns an Wechselwähler?

Diesmal ist also nach der Wahl auch wirklich nach der Wahl. Im kommenden Jahr dürfen wir uns zwar einen neuen Bundespräsidenten aussuchen, aber der alles dominierende Richtungskampf zwischen Regierungsparteien und Ein-Mann-Opposition geht erst 2018 bei der Nationalratswahl in die nächste Runde. SPÖ und ÖVP müssten schon ziemlich mutig aufgelegt sein, auch nur einen Tag ihrer Legislaturperiode durch vorzeitige Wahlen aufs Spiel zu setzen, denn – so die allgemeine Grundannahme: Zu gewinnen gibt es für SPÖ und/oder ÖVP gegen die Strache-FPÖ quasi naturgesetzlich nichts.

Diese Grundannahme ist so durchgängig, dass es sich schon allein deshalb lohnt, sie sich einmal näher anzuschauen. Zu den Lehren, die aus der Wien-Wahl vom Sonntag gezogen wurden, zählt nämlich auch: Michael Häupl und die Wiener SPÖ hätten einen Totalabsturz nur dadurch verhindern können, dass sie ein (Schein-)Duell um den Bürgermeistersessel inszeniert hätten. Und so die eigenen Sympathisanten maximal hätten mobilisieren können, aber vor allem auch viele FPÖ-Gegner dazu gebracht hätten, dem amtierenden Bürgermeister als kleinerem Übel ihre Stimme zu leihen.

So weit, so nachvollziehbar.

Mit der einen wesentlichen Einschränkung, dass im Österreich des Jahres 2015 der Wechselwähler offenbar immer noch als seltenes Tier betrachtet wird. Man hätte eigentlich schon gehofft, dass die Stammwählerschaft auf Gedeih und Verderb doch eher zu einer Funktionärserscheinung geworden ist und sich die meisten Wähler recht konkret die Angebote (Spitzenkandidaten, Leistungen in der abgelaufenen Periode, kommende Herausforderungen) im entsprechenden Umfeld (EU, Bund, Land, Gemeinde) anschauen, um dann von Mal zu Mal situationsbedingt neu zu entscheiden. In diesem Sinn ist in einer Demokratie auf der Höhe der Zeit hoffentlich jede Stimme nur geliehen, nie gekauft und muss immer wieder aufs Neue hart verdient werden.

Aber ungeachtet dieser Diskussion wird man auch fragen müssen: Sind die Stimmen für Heinz-Christian Strache und seine Wiener FPÖ denn nicht auch nur geliehen? Ist es denn nicht gerade das Wesen eines Duells, vor allem auf die beiden Duellanten in der Mittagssonne auf der staubigen Hauptstraße zu fokussieren, während die Kleinparteien drinnen im leeren Saloon grantig am Tresen stehen? Und was soll eigentlich einer Partei, die gerne auf Ressentiments gegenüber allem was ihr fremd ist setzt, Besseres passieren als eine alles überschattende Flüchtlingswelle zum Wahltermin? Oder anders gefragt: Hätte es für die Strache-FPÖ eigentlich eine idealere politische Gemengelage geben können als bei dieser Wahl? Wohl eher nicht.

Das heißt dann aber auch, um mit dem jüngst inflationär verwendeten Begriff Obergrenze zu operieren: Die 30-Prozent-Marke dürfte für die FPÖ so etwas wie eine gar nicht so gläserne Decke, sondern eher ein ziemlich blickdichter Plafond sein. Das ist natürlich ein mehr als beachtlicher Wert. Allerdings auch unter idealen Laborbedingungen zustande gekommen.

Wollen die Blauen weitere Wählerschichten ansprechen, werden andere wieder wegfallen. Derzeit operiert die FPÖ ohne Partikelfilter, was Protestwähler angeht. Neben der klassischen FPÖ-Klientel sammelt sie auch praktisch alle Stimmen ein, die im weitesten Sinn als Denkzettel gedacht sind. Deshalb ist der Wahlkampf ausschließlich gegen etwas inszeniert (außer: für Autos).

So gesehen sind auch Heinz-Christian Straches Stimmen, wie jene von Bürgermeister Häupl bei seinem Megabluff, nur geliehen. So viel muss die FPÖ bei einer Nationalratswahl 2018 erst einmal wieder zusammenbringen. Konkret könnten die Blauen also maximal zehn Prozentpunkte zum Ergebnis 2013 dazugewinnen. Bis dahin könnten SPÖ und ÖVP ihrerseits einmal das Labor aufsuchen. Die Versuchsanordnung lautet: Was bringt ihr zusammen zusammen, wenn euch nicht ständig der Angstschweiß in die Petrischalen tropft? Wann könnte man das wohl besser herausfinden, als wenn nach der Wahl ausnahmsweise auch wirklich nach der Wahl ist?

E-Mails an: florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2015)

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