Schwarz-Blau – ein Experiment des Schreckens als Normalität

Oberösterreich bekommt eine Landesregierung aus ÖVP und FPÖ. Und kaum einen regt es auf. Zu Recht. Willkommen in der bunten Welt der Demokratie.

Die Empörung war groß im Februar 2000. Es war die Empörung der Lauten, jener, die mit moralischem Impetus statt mit überlegter Sachlichkeit an die Politik herangehen. Es hatten allerdings auch die Leisen Sorge, wohin das Land gehen würde. Denn ein Experiment war Schwarz-Blau allemal. Eines des Schreckens für seine unbedingten Gegner. Ein zwar riskantes, aber unabdingbares für seine Befürworter. Die FPÖ hatte Wahlsieg um Wahlsieg errungen. SPÖ und ÖVP, die Wahlen um Wahlen verloren hatten, waren in Untätigkeit erstarrt.

Die ÖVP entschied sich für das Wagnis. Und zweierlei geschah: Es wurden Reformen auf den Weg gebracht, die zuvor nicht möglich gewesen waren. Und die FPÖ wurde tatsächlich „entzaubert“. Für die Zeit der Regierungstätigkeit jedenfalls. Denn eine populistische Partei kann in der Regierung nicht alles halten, was sie versprochen hat, noch dazu, wenn es sich um widersprüchliche Versprechen handelt, wie jene der Haider-FPÖ, die vorgegeben hat, den kleinen Mann, die mittelständische Wirtschaft, die Jungen, die Pensionisten und wen sonst auch immer zu vertreten.

Auch die moralisch Empörten von damals – zumindest jene, die zur Selbstreflexion fähig sind – werden zugeben müssen, dass diese beiden Dinge eingetreten sind. „Aber zu welchem Preis?“, werfen die Kritiker dann gern ein. Meist werden die Stichwörter Korruption und Hypo gleich mitgeliefert.

Unschöne Dinge zwar, die man aber auch differenziert betrachten muss: Die Hypo war in erster Linie eine Kärntner Angelegenheit, hier schaltete und waltete Jörg Haider als Seniorpartner. Wenn man der Regierung Schüssel in Wien etwas anlasten kann, dann das, dass sie Haider dort ungehindert schalten und walten ließ.

Und was die Korruptionsvorwürfe betrifft: Hier stehen in der Tat schwerwiegende im Raum. Erwiesen ist aber noch wenig. Und auch wenn sich der eine oder andere Verdacht bestätigen sollte – was bei dieser Art der Privatisierung mit Glücksritterbeteiligung nicht gerade unwahrscheinlich ist –, wäre es ungerecht, die gesamte Ära Schüssel auf das Thema Korruption zu reduzieren.

Nun wird es also wieder Schwarz-Blau geben. In Oberösterreich. Die Alternativen waren auch überschaubar: Eine Koalition der Verlierer aus ÖVP und SPÖ wäre noch möglich gewesen. Oder eine Koalition des Zweit- und Drittplatzierten von FPÖ und SPÖ. Landeshauptmann Josef Pühringer hätte sicher lieber mit den Grünen weiterregiert. Es ging sich allerdings rechnerisch nicht mehr aus. So also hat Pühringer eine pragmatische Entscheidung getroffen: Er regiert nun mit der FPÖ.

Und dieser Pragmatismus sollte auch das Wesen der Demokratie sein. Demokratisch gewählte Parteien sollten – in welcher Konstellation auch immer – in der Regierung abgebildet sein, wenn sich entsprechende Mehrheiten finden. Diese möglichen Mehrheiten mit dem erhobenen Zeigefinger untersagen zu wollen zeugt nicht gerade von großem demokratischen Bewusstsein. Der Wähler ist der Souverän. Wenn er eine Partei so stark macht, dass sie regierungsfähig ist – und das ist sie eigentlich ab dem Zeitpunkt, ab dem sie den Einzug in eine gesetzgebende Körperschaft schafft –, dann soll sie auch regieren können.

Die entscheidende Frage ist, ob sie das auch kann. Gerade bei der FPÖ sind hier – berechtigte – Zweifel angebracht. Für die Länderebene wird es allerdings reichen (für die Gemeindeebene reicht es sowieso seit jeher, ohne dass das jemandem auffällt). Aus dem Burgenland sind jedenfalls keine größeren Negativmeldungen überliefert, seit dort Rot-Blau regiert. Die Flüchtlingskrise hat das Burgenland bisher problemlos gemeistert.

Die politische Landkarte Österreichs ist heute schon bunt: In Kärnten regiert Rot-Schwarz-Grün, im Burgenland Rot-Blau, in der Steiermark Rot-Schwarz, in Wien möglicherweise wieder Rot-Grün, in Tirol Schwarz-Grün, ebenso in Vorarlberg, in Salzburg Schwarz-Grün-Stronach, nur in Niederösterreich regiert die ÖVP allein. Und Oberösterreich bekommt nun eben eine schwarz-blaue Regierung. Warum auch nicht?

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2015)

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