Faymann, die verschmitzte Merkel-Variante

Austrian Chancellor Werner Faymann
Austrian Chancellor Werner Faymann(c) REUTERS (DARRIN ZAMMIT LUPI)
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Und wenn man glaubt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein absurder Kompromiss daher. Das Schlimme: Werner Faymann betoniert sich ein.

Werner Faymann ist einer der konsequentesten Außenpolitiker und Strategen dieses Kontinents. Sein staatsmännisches Schaffen zeigt sich in der aktuellen Flüchtlingskrise deutlich. Bis jetzt gab der österreichische Bundeskanzler den zahmen Juniorpartner der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Diese politische Unterwerfung – Tony Blair wurde für seine bedingungslose Unterstützung für George Bush einst mit dem unschönen Tiernamen Pudel bezeichnet – und diese Selbstaufgabe erreichen mit dem mühsam erzielten Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP eine neue absurde Sphäre.

Österreich macht seine Politik in der Flüchtlingsfrage nicht mehr nur von Deutschland abhängig. Wir hoffen, nein, wir verlassen uns ab sofort auf Slowenien! Der wirtschaftlich schwer gebeutelte Kleinststaat muss das übernehmen, wofür wir uns nicht die Hände schmutzig machen wollen. Slowenien soll mit Zaun und Grenzbewachung das Schengen-Problem in den Griff kriegen. Wir können uns die moralisch aufwühlende Frage sparen, ob ein Zaun nun Stacheln oder vielleicht doch bunte Fähnchen zieren sollen beziehungsweise ob wir ihn nicht lieber Sicherheitsnetz nennen. Besser kann diese Regierung ihre völlige politische Kapitulation nicht formulieren und öffentlich machen.

Oder vielleicht doch: Sollte Slowenien also völlig überraschend an dem scheitern, was ganz Europa nicht geschafft hat – also an der Schengen-Außengrenze den Flüchtlingsandrang sanft und organisiert zu stoppen –, kommt doch ein Zaun in Österreich. Die Innenministerin darf ihn auch schon bestellen und auf den Böden der Südsteiermark die Stellen aufzeichnen, an denen er dann errichtet wird.

Das ist der Kompromiss. Bonne nuit, l'Autriche.

Wäre das Problem nicht so ernst, und wären wir dieses Kabarett nicht schon so lang gewöhnt, könnten wir das Thema Innenpolitik für die nächsten Monate und Jahre einfach ausklammern und uns – auch in dieser Zeitung – interessanten Dingen in Außenpolitik, Wirtschaft und Kultur widmen. Irgendwann müsste schließlich selbst dem letzten Genossen und Gewerkschafter dämmern, dass der Regierungschef keiner ist. Aber das wirklich Zynische an der aktuellen Konstellation ist: Werner Faymann nutzt das Thema Flüchtlinge machtpolitisch geschickt, um sich einzubetonieren.

Die Übung ist nicht so schwierig: Der dank Deutschland und nun Slowenien vergleichsweise billige Schwur auf Humanität und schöne Gesten schafft das ideale Leo für Werner Faymann. Es würde dieser Tage jedem in der Partei schwerfallen, eine innere oder öffentliche Revolte gegen Faymann anzuzetteln, geschweige denn anzuführen. Immerhin gibt er doch das menschliche Antlitz des sonst abweisenden Europa – die verschmitzte Variante Angela Merkels. Und während in Deutschland CSU und CDU die durchaus mutige Politik der Kanzlerin kritisieren, muss die SPÖ ihrem Chef fast pflichtschuldig applaudieren. Auf der anderen Seite passiert übrigens ein nicht ganz unähnlicher Effekt: Die ÖVP solidarisiert sich demonstrativ mit ihrer Innenministerin, obwohl oder vielleicht weil sie dieser Tage keine besonders gute Figur abgibt.


Tatsächlich ist diese Koalition völlig zerrüttet, die Abneigung beider Parteien und der beiden Regierungsteams gegeneinander derart stark ausgeprägt, dass gemeinsame Lösungen de facto unmöglich sind. Die Aussicht, diese drei Jahre ertragen zu müssen, macht wohl auch sonst tiefenentspannte Mitbürger zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Nach dem Scheitern in der Flüchtlingskrise steht mit der Bundespräsidentenwahl eine Mischung aus Unterhaltungsprogramm und teurem Ablenkungsmanöver bevor: In den vergangenen Wochen bot das öffentliche Kandidatenbingo einen Vorgeschmack auf die Substanzlosigkeit des Wahlkampfs um den völlig überschätzten Job. Faymann wird dies genießen. Und wir werden das weiter schreiben.

In beiden Parteien wird die Sehnsucht nach einem, nach irgendeinem anderen Partner nach dieser Krisenperiode intensiver. Sogar, wenn er – für die SPÖ nach der Flüchtlingskrise paradoxerweise – Heinz-Christian Strache heißt.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2015)

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