Die Unzufriedenheit der grünen Basis mit Eva Glawischnig

Eva Glawischnig
Eva Glawischnig(c) APA/GERT EGGENBERGER
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Die Grünen auf der Suche nach dem Weg: Soll man Kleinpartei für ein urbanes Publikum bleiben oder zur populistischen linken Volkspartei heranwachsen?

Ist das politischer Undank? Seit Eva Glawischnig die Grünen übernommen hat, ist die Partei ständig gewachsen, sie ist in sechs Landesregierungen vertreten, und von Krisen weitgehend verschont geblieben. Dafür bekam Glawischnig jetzt das schlechteste Ergebnis ihrer Amtszeit: 84,9 Prozent sind für einen amtierenden Parteichef ein blamables Ergebnis. Werner Faymann und Horst Seehofer können ein Lied davon singen.

Es ist aber wohl nicht Undankbarkeit der grünen Basis, die jetzt zur Abrechnung mit der eigenen Parteichefin geführt hat, sondern die Erkenntnis, dass Sand ins grüne Getriebe geraten ist. Und dass die Partei angesichts der akuten Schwäche von SPÖ und ÖVP viel besser dastehen könnte, als sie das jetzt tut.

Man nehme nur das Wahlergebnis von Wien: 11,8 Prozent sind für eine Partei mit vorwiegend urbaner Wählerschicht in Wahrheit ein mageres Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Grünen in Innsbruck oder Salzburg bei Landtagswahlen schon jenseits der 20-Prozent-Marke gelandet sind. Anstatt sich selbstzufrieden zu freuen, dass man es nochmals in die Koalition mit der SPÖ geschafft hat, müssten bei der grünen Stadtpartei längst alle Alarmglocken läuten. So toll kann die Performance in der ersten Periode Rot-Grün doch nicht gewesen sein. Mit dem Auswechseln des Parteigeschäftsführers kann es da wohl nicht getan sein.


Wobei das Nichtausnutzen der Stärke in den eigenen Hochburgen ja nur ein Teilproblem ist. Die zentrale Schwäche der Grünen besteht ja darin, dass sie es sich in diesen Hochburgen gemütlich gemacht haben und den Schritt hinaus nicht wagen. Die grüne Politik ist auf junge Akademiker mit Dachgeschoßwohnung im siebenten Wiener Gemeindebezirk ausgerichtet. Dort hat man sich eine nur von den Neos bedrohte feste Basis geschaffen – und überlässt den ländlichen Raum der ÖVP, die Arbeiter der FPÖ und die Pensionisten der SPÖ.

Das wird jetzt zunehmend auch intern infrage gestellt, federführend ist dabei der Abgeordnete Peter Pilz mit dem Ruf nach grünem Populismus. Wobei aber kaum anzunehmen ist, dass Populismus, der mit Effekthascherei auf Kosten der eigenen Grundsätze einhergeht, tatsächlich mit grüner Politik vereinbar wäre. Eine linke populistische Volkspartei, wie sie Pilz vorschwebt, würde die „Kapitalisten“ und „Banken“, vielleicht auch noch „Europa“ als Quell allen Übels brandmarken und einen Weg der Ökonomie forcieren, der vielleicht bei manchem ankommt, aber mit den Regeln ökonomischer Vernunft nur schwer vereinbar wäre.

Aber wer hindert die Grünen, die bisher vernachlässigten Zielgruppen einzubinden? Am Beispiel der Flüchtlingsfrage: Willkommenskultur und großzügige Hilfe für Flüchtlinge werden von der grünen Kernwählerschaft goutiert. Damit wird man bei sozial benachteiligten Schichten, denen von der FPÖ erfolgreich eingeredet wird, Asylwerber und Zuwanderer seien die Ursache aller Probleme, nur schwer punkten können. Aber wo bleiben beispielsweise die Initiativen für die Sozialpolitik oder den Wohnungsmarkt, mit denen man auch bei jenen erfolgreich sein könnte, die sich von der Zuwanderung bedroht fühlen? Weite Bevölkerungskreise kommen im Fokus der grünen Parteistrategen nicht vor – folglich sind auch die Grünen für weite Kreise nicht wählbar.


Die Grünen befinden sich derzeit nicht in einer Krise, Eva Glawischnig hat zwar ein schlechtes Parteitagsergebnis eingefahren, sie ist aber noch nicht angeschlagen. Aber der Parteitag sollte für sie ein Alarmsignal sein. Gerade in einer Partei wie den Grünen mit einer funktionierenden Basis, die keine Hemmungen hat, sich auch mit den Parteipromis anzulegen, kann sich die Stimmung auch sehr schnell drehen. Glawischnig hat nach ihrer Wahl erfolgreich den Weg beschritten, das Bild nach außen hin professioneller zu gestalten. Das war wirkungsvoll, reicht aber nicht aus. Es geht nicht nur um eine Optimierung des Marketings, sondern auch um politische Inhalte. Und da haben die Grünen Nachholbedarf.

E-Mails an:martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)

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