Fehlender Schnee sollte unsere kleinste Sorge sein

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Themenbild(c) Clemens Fabry
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Die direkten Einflüsse des Klimawandels auf Österreich werden auch in Zukunft eher gering sein. Indirekt werden wir aber auch Dürren in Afrika spüren.

Krieg, Flüchtlinge, Terror und die anhaltende Wirtschaftskrise. Es gibt viele drängende und wichtige Probleme, die eigentlich die volle Konzentration der Spitzenpolitik erfordern. Insofern mutet es beinahe ein wenig eigenartig an, dass sich am Montag die internationalen Staats- und Regierungschefs in Paris einfinden werden, um eine zweiwöchige globale Konferenz über ein Thema zu eröffnen, das die öffentliche Aufmerksamkeit nach einem kurzen Hype vor einigen Jahren wieder vollständig verloren hat: den Klimawandel.

Das Versinken der von professionellen Klimaschützern mehrere Jahre hindurch kräftig angeschobenen Diskussion unter die Wahrnehmungsschwelle hat nämlich nicht nur mit dem üblichen Boom-Bust-Zyklus zu tun, den medial stark wiedergekäute Themen in der Regel durchleben. Es hängt auch direkt mit der 2009 ausgebrochenen und vor allem in Europa immer noch anhaltenden ökonomischen Krise zusammen. Diese war in puncto CO2-Reduktion nämlich weit erfolgreicher als sämtliche internationalen Abkommen der vergangenen Jahrzehnte.

Insofern kann man aus europäischer Perspektive zumindest erstmals seit Langem wieder positiv gestimmt auf eine UN-Klimakonferenz blicken. So dürfte diesmal das Ritual, wonach sich die beim Ausstoß von Klimagasen immer weniger relevant werdende EU noch härtere Regeln auferlegt, während der Rest der Welt interessiert zuschaut, erstmals durchbrochen werden. In Paris stehen nämlich freiwillige Selbstverpflichtungen im Vordergrund. Und diese wurden auch von den USA und China bekannt gegeben, den zwei weltweit wichtigsten Emittenten.

Ob es schlussendlich dann ein für alle verpflichtendes Abkommen gibt, ist für die reale Entwicklung in der Atmosphäre wohl gar nicht so relevant. So zeigten die USA schon in der Vergangenheit, dass sie durch den Austausch von Kohle durch Gas beinahe so erfolgreich und wesentlich günstiger in der relativen CO2-Reduktion als etwa Deutschland mit seinem Milliarden kostenden Projekt der subventionierten Energiewende waren.

Entscheidender ist, dass sich auch in Nordamerika und in Asien langsam die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass es nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Gründe gibt, danach zu trachten, dass sich die klimatischen Bedingungen nicht zu weit von dem Status entfernen, an den sich die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden gewöhnt hat.


Dass es diese Veränderungen geben wird, darin ist sich die Wissenschaft einig. Daran ändert auch nichts, dass der Temperaturanstieg in den vergangenen Jahren auf hohem Niveau stagniert hat. Denn das Klima ändert sich langsam und behäbig und wird auch durch viele natürliche Veränderungen beeinflusst, die von den Wissenschaftlern selbst oft noch nicht verstanden werden. Die Grundtendenz ist jedoch eindeutig: Mehr CO2 in der Atmosphäre bedeutet im globalen Durchschnitt eine höhere Temperatur.

Regional können diese Veränderungen sehr unterschiedlich ausfallen. Als Österreicher kann man dem Klimawandel dabei relativ entspannt entgegenblicken. Wer nicht gerade ein Wintersporthotel sein Eigen nennt, wird von höheren Temperaturen nur insofern betroffen sein, als er im Spätherbst noch kurzärmlig spazieren gehen kann, wie das Wetterphänomen des heurigen November bereits einen Vorgeschmack gegeben hat.

Anders sieht die Situation in heute schon schwierigeren Lebensumgebungen aus. Und dabei sind es nicht die TV-wirksamen Wirbelstürme oder die versinkenden Mini-Inseln, die Sorgen bereiten sollten – sondern die leisen, nur kaum merkbaren Veränderungen. Wie etwa die leichte Erhöhung der Durchschnittstemperatur, die in der Sahelzone aus trockenen Wiesen eine Wüste macht. Oder die geringe Anhebung des Meeresspiegels, die in dicht besiedelten Küstenregionen das Grundwasser versalzt.

Diese Entwicklungen können mittelfristig Millionen von Menschen dazu bringen, ihren bisherigen Lebensraum zu verlassen. Eine Wanderbewegung, die sich schlussendlich auch in Richtung Norden bewegen kann, wie die (aus anderen Gründen entstandene) Flüchtlingskrise des heurigen Jahres eindrucksvoll gezeigt hat.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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