Warum nicht gleich Werner Faymann!

Das Weichspülunterhaltungsprogramm Bundespräsidentenwahl sollte nicht von den wahren Problemen ablenken. Aber vielleicht könnten wir jemanden in die Hofburg hinaufloben.

Mögen die Spiele beginnen. Dieser Tage wird also die feierliche Eröffnung des Unterhaltungsprogramms „Rennen um die Hofburg“ vorgenommen. Traditioneller Beginn dieser Übung ist das Kandidatenbingo: Wer über 50 ist, aus den Magazinen lächelt, sich schon einmal besorgt über den Weltfrieden äußerte, aber in diesem Gesellschaftsspiel nicht genannt wurde oder wird, sollte sich Sorgen machen und die nächste PR-Agentur kontaktieren. Regierung, Opposition und auch manche Medien lieben die Präsidentschaftswahl, da sie das perfekte Ablenkungsmanöver für echte Probleme ist.

In dieser ersten Phase spielt das politische Personal Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert – muss also womöglich gegen einen Gegner antreten, gegen den sie/er keine Chancen hat. Irmgard Griss hält sich nicht an diese und andere Bauernregeln. Sie will in die Hofburg, muss Geld, Unterstützer, 6000 Stimmen und vielleicht Parteien sammeln. Die Neos könnten die elegante, unbeugsame Richterin unterstützen, die FPÖ auch.

Diese Kombination bringt die Truppe von Matthias Strolz und die Frühstarterin in eine strategische Zwickmühle: In einem Boot entkommt man der Umarmung Heinz-Christian Straches nur schwer. Mit der FPÖ-Gretchenfrage hat Griss keine Mühe. Ja, sie würde Strache angeloben, so er eine Mehrheit habe. Aber über ungeeignete Kandidaten sagt sie: „Wenn er (der Bundespräsident, Anm.) jemanden ernennen müsste, von dem er glaubt, dass er nicht geeignet ist, müsste er die Konsequenzen ziehen und sein Amt aufgeben.“ Einspruch, Euer Ehren! Genau dafür wählen wir den Bundespräsidenten/die Bundespräsidentin. Dass er/sie das Problem löst und angesichts eines solchen nicht zurücktritt. Griss sagt aber auch viel Richtiges, etwa dass wir Österreichs Neutralität infrage stellen müssen. Damit spricht sie eine Wahrheit aus, die Heinz Fischer und andere konsequent leugnen. (Der Transparenz wegen weisen wir darauf hin, dass wir mit Griss eine Jubiläumsausgabe der „Presse am Sonntag“ gestaltet haben. Diese positive Erfahrung zwingt uns zur besonders konsequenten Prüfung der Objektivität im Wahlkampf.)


Ersatzmonarch. Aber um welchen Job geht es eigentlich? Wir suchen einen kleinen Ersatzmonarchen für die Hofburg, der freundlich auftritt, aber den Tourismus-Kongress-Staat repräsentiert. Der oder die über wenige Kompetenzen und sehr wenig Budget verfügt. Jemanden, der Besorgnis äußert, wenn es eins vor zwölf ist. Der ein bisschen Kontrolle ausübt, aber nichts blockiert. Gefragt ist jemand, der lieber moderiert als regiert. Ein Mensch gewordener Bundesrat. Das klingt nicht nach dem idealen Job für Erwin Pröll.

Das klingt aber nach dem idealen Job für Werner Faymann. Zugegeben, das wäre eine etwas paradoxe Intervention, aber denken wir sie kurz durch: Selbst Parteifreunde des Kanzlers sind der Meinung, dass ein Neuanfang notwendig wäre. Das Land braucht eine Veränderung an der Spitze und zumindest den Hauch einer Aufbruchsstimmung. Faymanns Position ist dank Merkel-Standleitung und Flüchtlingsproblematik einigermaßen abgesichert. Also warum den Kanzler nicht einfach hinaufloben?

Die Logik dieser leicht zynischen Personalspekulation haben Gegner Prölls schon vor Wochen formuliert. Wenn der größte Schutzherr des Föderalismus in die Hofburg zieht und dort am System verzweifelt, könnte man doch den für die Länder üppigen Finanzausgleich und den Landeshauptleute-Prunk beseitigen. Aber da wartet auch noch Wolfgang Sobotka; und die Westachse hat schon einmal einen ÖVP-Obmann gefällt.

Nein, wir werden uns nicht nur die Person ansehen müssen, sondern offen debattieren, wie präsidial wir die Republik gern hätten. In dieser Frage scheinen die Namen Griss und Pröll wie Antipoden. Und vielleicht denken wir ja auch an eine deutsche Variante, also die Wahl durch das Parlament. Wir hätten dann wieder mehr Zeit für echte Problemstellungen – vom Pensionsroulette bis zur Rückkehr der großen Flüchtlingsströme.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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