Die Maschinenstürmer des 21. Jahrhunderts werden scheitern

Operations Inside An Amazon.com Inc. Fulfillment Center On Cyber Monday
Operations Inside An Amazon.com Inc. Fulfillment Center On Cyber Monday(c) Bloomberg (Michael Nagle)
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Die digitale Revolution wird tausende traditionelle Jobs kosten. Wer glaubt, das verhindern zu können, irrt. Die Lösung liegt in der Anpassung an neue Zeiten.

Nein, es wird kein schönes Weihnachtsfest für die 2500 Zielpunkt-Mitarbeiter werden. Zumindest kein sorgenfreies. Nur wenige Wochen vor den Festtagen haben sie ihre Jobs verloren. Dieses Schicksal teilen sie mit tausenden Angestellten der Bank Austria. Noch hat die Bank zwar nicht bekannt gegeben, ob sie ihr Privatkundengeschäft verkaufen oder selbst zusammenschrumpfen will. Klar ist aber, dass es mit einem großen Arbeitsplatzabbau einhergehen wird.

Die Gründe für den Untergang von Zielpunkt liegen zwar vor allem am Unternehmen selbst. Bei der Bank Austria und anderen Handelsunternehmen ist es jedoch auch die digitale Revolution. Wer braucht noch eine Bank, die am Nachmittag geschlossen ist, wenn er rund um die Uhr im Internet seine Geschäfte erledigen kann? Wer braucht Geschäfte, zu denen hingefahren werden muss, wenn man seine Produkte auch bequem von der Couch aus im Onlineshop bestellen kann?


Immer mehr Menschen beantworten diese Frage mit einem „Ich nicht“. Und es ist eine logische Folge, dass Firmen darauf reagieren und unrentable Geschäftsstellen schließen sowie überzählige Mitarbeiter abbauen. Fast 60.000 Handelsangestellte sind im November arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosigkeit liegt in der Branche mit mehr als zehn Prozent bereits deutlich über jener der Gesamtwirtschaft.

Mancher ruft nun dazu auf, Onlineshops zu boykottieren – vor allem den Marktführer Amazon. Nur so könne der lokale Handel geschützt und können Arbeitsplätze erhalten werden. Eine gut gemeinte Idee, die an die Maschinenstürmer des frühen 19. Jahrhunderts erinnert und wie diese zum Scheitern verurteilt ist. Denn so wie niemand sein Smartphone künftig in der Schublade liegen lässt, um den Festnetztechnikern der Telekom Austria Lohn und Brot zu sichern, so wird bis auf Einzelne auch niemand aus altruistischen Motiven den persönlichen Vorteilen von Onlineshopping oder Internetbanking entsagen.

Es ist daher vielmehr notwendig, dass wir uns als Gesellschaft auf die veränderten Gegebenheiten einstellen. Und diese werden noch viel weiter gehen, als es sich manche derzeit vorstellen können. Internationale Studien prognostizierten bereits, dass nahezu jeder zweite Arbeitsplatz von der neuen Konkurrenz durch stetig intelligenter werdende Computer bedroht sein wird. Die Palette der betroffenen Berufe geht dabei von Buchhaltern und Übersetzern bis hin zu Versicherungsmathematikern. So wie Maschinen einst einfache körperliche Arbeiten mit Schaufeln und Sensen ersetzt haben, werden Computer bald die repetitiv geistigen übernehmen, wie sie tausende Sachbearbeiter in Büros ausführen.


Gegen diese Entwicklung hilft weder das Lamentieren der Politik noch das Drohen der Gewerkschaft. Wichtig wäre es hingegen, dass die betroffenen Branchen nicht noch zusätzliche Prügel vor die Beine geworfen bekommen. Etwa durch die anhaltende Verweigerung jeglicher Diskussion über eine Sonntagsöffnung, während die Onlineshops sieben Tage die Woche geöffnet haben.

Noch viel entscheidender ist es aber wohl, dafür zu sorgen, dass man von der digitalen Revolution nicht nur die Nachteile spürt, sondern auch die Chancen wahrnehmen kann. Denn wie ein Blick in die USA zeigt, werden auch tausende neue Jobs geschaffen. Und dass es möglich ist, von Österreich aus weltweit zu reüssieren, haben nicht zuletzt die klugen Köpfe von Runtastic gezeigt.

Voraussetzung dafür ist aber – auch wenn es schon abgedroschen klingt – die Bildung. Denn natürlich wird es für viele der neuen Jobs neue Fertigkeiten brauchen. Und auch wenn nicht jeder das Zeug zum Techniker oder Software-Ingenieur hat, wäre eine stärkere Betonung der Naturwissenschaften im heimischen Bildungssystem dringend notwendig.

Dass die Veränderungen der Zukunft zu bewältigen sind, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Vor 100 Jahren war hierzulande noch mehr als jeder Zweite in der Landwirtschaft beschäftigt – heute ist es nur mehr jeder 20. Die Kinder und Enkelkinder der einstigen Bauern haben also neue Jobs in anderen Bereichen gefunden. Eine Anpassung, die auch im 21. Jahrhundert möglich sein muss.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)

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