In der digitalen Büchse der Pandora wartet der Staatstrojaner

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Ein erfolgreicher Kampf gegen Mafiasyndikate und Terroristen erfordert Mittel, die selbst gefährlich sind. Ob sich ihr Einsatz lohnt, sollte nachgewiesen werden.

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Justizminister Wolfgang Brandstetter arbeitet am Staatstrojaner. Gemeint ist eine (Schad-)Software, ein Computervirus, der im Namen der Republik Smartphones, Tablets, Computersysteme jedweder Art ausspioniert. Heimlich, selbstverständlich.

Oberflächlich betrachtet erscheint das zunächst wenig spektakulär. Noch mehr Überwachung also. Geht das überhaupt? Wenn hochgerüstete Lauschdienste und Internetkonzerne ohnedies jede Datenspur des vernetzten Bürgers aufzeichnen und analysieren, macht ein weiteres Spionageprogramm den gläsernen Menschen auch nicht transparenter. Könnte man meinen. Doch ein Staatstrojaner kann mehr. Er schnüffelt – im Einzelfall, und zumindest laut Plan nicht flächendeckend – nach Inhalten. Fotos, Videos, Daten und Nachrichten aller Art – selbst die stärkste Verschlüsselung kann er umgehen. Ein Blick in den Sicherheitsapparat der Republik kann helfen, die Hintergründe zu verstehen und zu bewerten.

Seit Jahrzehnten sind Telefone für Mafiasyndikate und Terroristen nicht sicher. Einmal vom Staatsanwalt angeordnet und von einem Richter genehmigt, bekommen Polizisten heutzutage Tondateien in bester Qualität und automatisiert von den Telekombetreibern übermittelt. An modernen Messenger-Diensten und Programmen zur verschlüsselten Internet-Telefonie beißen sie sich jedoch die Zähne aus.

Eigentlich kommt der Ruf nach dem Staatstrojaner nicht von Wolfgang Brandstetter, sondern von Staatsanwälten und Fahndern von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, die immer weniger vom Inhalt der Kommunikation ihrer „Kundschaft“ erfahren. Die verwendet längst Software, die Gespräche und Textnachrichten hochgradig verschlüsselt. Skype ist dabei ein alter Hut. Neben WhatsApp setzen Kriminelle und Jihadisten für den sicheren, schnellen und internationalen Austausch längst auf Programme wie Signal, Telegram oder Threema.

Woran die Regierung nun arbeitet, ist im Prinzip ein Programm zur Herstellung von Waffengleichheit mit Schwerkriminellen. Ein Programm, das Inhalte und Nachrichten dann abgreift, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurden. Ein Programm, gegen das man aus dieser Perspektive wenig einwenden kann.

Aus anderer schon. Bereits 2008 hat eine hochkarätige Arbeitsgruppe festgestellt, dass der Einsatz eines Staatstrojaners fragwürdig sei. Dies deshalb, weil man beim Durchforsten eines Computers erheblich tiefer in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre eindringe, als wenn man „nur“ ein Telefonat abhöre. Damals ging man davon aus, dass eine solche Software heimlich unbeschränkten Fernzugriff auf einen Computer ermögliche. Weshalb man heute hinter den Kulissen versucht, sich auf ein- und ausgehende Nachrichten und Telefonate zu beschränken. Nur: Wie ist das möglich?

Die Software müsste sich selbst beschränken. Für Laien ist das kaum zu kontrollieren. Für Techniker nur dann, wenn der Quellcode des Programms offenliegt. In Computern und Smartphones schlummern derart umfassende Informationen über eine Person, dass man mit deren Kenntnis die Identität des Überwachten annehmen kann. Private und geschäftliche Geheimnisse sind hier gespeichert, finanzielle sowieso. Und was, wenn so eine Software in falsche Hände gerät? Ein hoch entwickelter Staatstrojaner in der Gewalt einer kriminellen Organisation wäre ein GAU. Das Ausspähen und Missbrauchen von Endgeräten ist mit digitaler Technik beliebig skalierbar.

Das Dilemma lautet so: Um schwerste Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, braucht es offenbar Mittel, die selbst gefährlich sind. Was also tun? Anstatt dem Souverän nur ein vages Gefühl von Angst zu vermitteln, könnte es die Regierung mit Transparenz versuchen, offenlegen, welche konkreten negativen Konsequenzen es bereits hatte, weil man diesen oder jenen verschlüsselten Chat nicht belauschen konnte. Erst wenn diese Informationen dem Bürger oder zumindest seinem Vertreter, dem Parlament, zur Verfügung stehen, kann man seriös darüber entscheiden, ob der Nutzen eines Staatstrojaners seine Risken übertrifft.

E-Mails an:andreas.wetz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)

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