Die Lehre von Iowa: Politik ist und bleibt ein Geschäft für Profis

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Donald Trumps Niederlage war vorhersehbar, und auch Bernie Sanders wird bald einsehen, dass man mit Enthusiasmus allein keine Wahlen gewinnt.

Kaum ein Wort in der politischen Berichterstattung über die parteiinternen Vorwahlen in den USA führt derart schnell in die Irre wie „Momentum“. Man kann es als „Schwung“ übersetzen, aber „Eigendynamik“ trifft besser, was Spindoktoren und Journalisten damit meinen. Sobald ein Kandidat in einer Umfrage ein wenig besser liegt als ursprünglich angenommen, wird aus diesem einzelnen Datenpunkt eine sich selbst erfüllende Prophezeiung konstruiert. Einem Schneeball gleich werde die Kampagne des Kandidaten oder der Kandidatin nun an Fahrt aufnehmen und sich, selbst bestärkend, in einem unausweichlichen Wahlsieg vollenden.

Für die Medien ist diese Deutung von Wahlkämpfen äußerst reizvoll. Sie fügt sich nahtlos in ein Vokabular, das dem Box- und Pferdesport entnommen ist. Wenn sich ein Wahlkampf als Schlagabtausch politischer Athleten darstellen lässt, dann ist die Verheißung eines Außenseiters betörend, der plötzlich wundersamerweise einen Lucky Punch nach dem anderen setzt oder auf der Zielgeraden im gestreckten Galopp am Konkurrentenfeld vorbeifliegt. So bannt man Zuseher vor den Bildschirmen, so maximiert man die Klickraten im Internet.

Auch manch ein Kandidat verliebt sich in die Vorstellung, einem Preisboxer oder Vollbluthengst gleich aus sich selbst heraus die nötige Kraft für den Sieg an den Urnen zu schöpfen. Im heurigen Vorwahlkampf ist kein Kandidat nur annähernd so betört von der eigenen lawinenartigen Unaufhaltsamkeit wie Donald Trump. Kein Tag verging in den vergangenen sieben Monaten, an dem der milliardenschwere Selbstvermarkter nicht mit seinen Umfragewerten prahlte, keine Wahlkampfkundgebung, auf der er seinen Fans nicht versprach, dass ihnen nach einem Jahr der unausweichlichen Trump-Präsidentschaft vor lauter Gewinnen fad werden würde.

Auf der Gegenseite wurde und wird Bernie Sanders, der Senator aus Vermont, nicht müde, seine „Revolution in Amerika“ als unausweichlichen Endpunkt dieses Wahlkampfs darzustellen. Amerika sei bereit dafür, für seine „radikalen Ideen“, die aus europäischer Sicht von einem Christlichsozialen stammen könnten: allgemeine Krankenversicherung, Studieren ohne Gebühren, Verdoppelung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15Dollar pro Stunde.

Doch die Eigendynamik, dieses politische Perpetuum mobile, ist eine Fiktion. Wenn ein Kandidat voranschreitet, dann liegt das nicht an der Alchimie seiner persönlichen Alternativlosigkeit, sondern an Instinkt, Weitblick und harter Arbeit. Ted Cruz ist ein gottesfürchtiger Mann, doch dass er Trump in Iowa besiegte, lag daran, dass er unermüdlich jeden Wahlbezirk besucht und eine durchdachte Kampagne organisiert hatte. Währenddessen gab Trump mehr Geld für Baseballmützen mit seinem Wahlspruch „Make America Great Again“ als für lokale strategische Berater oder Wählerdatensätze aus.

Sanders wiederum präsentiert seine knappe Niederlage gegen Hillary Clinton als moralischen Sieg und Zeichen für sein, genau, „Momentum“. Aber wer sich eingehend mit den Eigenschaften und Neigungen der demokratischen Wähler in allen anderen Staaten außer Iowa und Neuengland befasst, erkennt rasch die Grenzen der Bernie-Manie. Schwarze und hispanische demokratische Wähler mögen ihm grundsätzlich zustimmen, dass der amerikanische Traum für die unteren 99 Prozent wesentlich schwerer zu erfüllen ist als für das eine Prozent an der Spitze der Vermögensstatistik.

Doch wer in echter, hartnäckiger Armut lebt und mit Rassismus konfrontiert ist, kann sich den Luxus des Traums von einer Revolution weniger leisten als ein weißer Collegestudent aus Neuengland. Diese Menschen haben nicht vergessen, was Bill und Hillary Clinton für sie in ihrer jahrzehntelangen Karriere als mächtigstes politisches Paar der Neuzeit erreicht haben. Und sie verzeihen ihnen den oft schlampigen Umgang mit der Wahrheit.

Um also in die Sportwelt zurückzukehren: Wahlkämpfe sind Marathonrennen. Am Ende gewinnt, wer sich am besten vorbereitet hat und seine Kräfte schlau einteilt.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2016)

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