Die Magie des fixen Reformdatums funktioniert nicht jedes Mal

Pensionisten im Park
Pensionisten im ParkClemens Fabry
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Am 29. Februar soll die Pensionsreform stehen. Dass es ein großer Reformschritt wird, darf aber bezweifelt werden.

Der Countdown läuft: Drei Wochen noch, dann steht eines der größten Reformvorhaben, das diese Regierung zu bieten hat. Exakt am 29. Februar (den gibt es heuer wirklich!) wird eine Pensionsreform präsentiert, die unsere Altersversorgung auf Jahrzehnte hinaus zukunftssicher macht. Sie glauben das nicht? Die Zweifel sind in der Tat berechtigt. Denn bislang haben sich SPÖ und ÖVP noch nicht einmal annähernd auf ein Reformpaket einigen können. Mehr noch: Es gibt noch nicht einmal eine Einigung darüber, ob eine Reform überhaupt notwendig ist.

Warum die Regierung sich dann schon auf ein Datum festgelegt hat, ist leicht erklärt: Es hat einmal schon funktioniert. Als die Steuerreform an den unüberbrückbaren Differenzen innerhalb der Koalition zu scheitern drohte, brachte die Festlegung auf ein fixes Datum den Durchbruch. Die SPÖ verzichtete dann auf ihre wichtigste Forderung, auf die Einführung von Vermögensteuern, und machte so den Weg für eine Einigung frei. Dass danach nicht die SPÖ Ärger mit ihrer Klientel bekam, sondern die ÖVP, die ihren Anhängern höhere Immobiliensteuern und Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung verkaufen musste, ist ein Treppenwitz der Geschichte.

Auf die Magie des fixen Reformdatums sollte man sich allerdings nicht zu sehr verlassen. Das zeigt schon die nicht ganz so erfolgreiche Einigung auf eine Bildungsreform, die ebenfalls unter dem Druck eines fixen Datums zustande kam. Im November des Vorjahres konnten sich SPÖ und ÖVP zwar auf Schulversuche zur Gesamtschule und auf eine Neuorganisation der Schulverwaltung einigen – aber beides hilft nicht sonderlich weiter. Die Schulversuche sind nicht mehr als ein Vehikel, eine Entscheidung über eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen weiter hinauszuzögern (wobei in den Schulversuchen die gemeinsame Schule ja nicht einmal getestet wird, das würde erfordern, dass kein anderer Schultyp zur Wahl steht, sonst ist es ja keine gemeinsame Schule). Und bei der Einrichtung der Bildungsdirektionen wissen offensichtlich nicht einmal die Verhandler, auf was sie sich bei dieser Bund-Länder-Zwitterorganisation eigentlich geeinigt haben. Die ÖVP will, dass dort die Landeshauptleute künftig den Ton angeben, die SPÖ sieht die wesentlichen Kompetenzen beim Bildungsministerium. Damit heißt es also zurück zum Start.

Gleichzeitig steht nun die nächste Reform mit fixem Datum an. Und auch bei der Pensionsreform könnten die Ausgangspositionen der beiden Koalitionspartner nicht unterschiedlicher sein. Die ÖVP ist der Meinung, dass bei den Pensionen noch wesentliche Reformschritte notwendig sind, und fordert eine „Pensionsautomatik“, wobei der unausgesprochene Inhalt der Reform lautet: Das gesetzliche Pensionsantrittsalter wird angehoben, und zwar ohne dass Regierung und Parlament dies eigens beschließen müssten. Wenn sich gewisse Parameter wie Lebenserwartung oder staatlicher Zuschussbedarf ändern, steigt einfach das Pensionsalter. Alternativ dazu könnten auch die Pensionen gekürzt werden.

Die SPÖ dagegen ist der Ansicht, dass die Pensionen für die nächsten Jahrzehnte gesichert sind und bestenfalls Änderungen in Nuancen notwendig wären: Verbesserungen im Gesundheitsbereich beispielsweise, um Berufsunfähigkeitspensionen zu reduzieren und das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben.

Unter diesen Voraussetzungen ist am 29. Februar eher mit einer Lösung Marke Bildungsreform denn mit einer Einigung wie bei der Steuerreform zu rechnen. Für eine große Reform fehlt die wichtigste Voraussetzung: dass sie beiden Seiten ein wirkliches Anliegen ist. Und da die Pensionen in den kommenden Jahren tatsächlich gesichert sind, ist der Reformdruck nicht ganz so groß.

Langfristig sieht das natürlich ganz anders aus: Wenn bis zum Jahr 2050 die Zahl der über 65-Jährigen von derzeit 1,6 auf 2,6 Millionen anwächst, kann doch niemand ernsthaft glauben, dass das Pensionssystem dann unter den gleichen Bedingungen wie heute funktioniert. Die demografische Entwicklung wird die Politik irgendwann zu einem größeren Reformschritt zwingen. Am 29. Februar wird es aber vermutlich noch nicht so weit sein.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2016)

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