Vor dem Ende bitte wenden

Heinz-Christian Strache.
Heinz-Christian Strache.(c) APA/MANFRED FESL
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Wenn SPÖ und ÖVP Heinz-Christian Strache ins Kanzleramt hieven und Österreichs Abstieg wollen, sollen sie einfach weitermachen wie bisher. Oder endlich ihren Kurs ändern.

Wie groß muss der Druck werden, bis sich ein System verändert? Wie apokalyptisch muss die Zukunft prophezeit werden, um zu begreifen, dass vieles anders werden muss? Wie aussichtslos kann eine Situation sein, um nur noch still und leise auf das Ende zu warten? Die Fragen müsste Werner Faymann beantworten. Der Kanzler fährt mit seiner Regierung in Richtung Abgrund. In jeder Umfrage – auf die schaut das Team Faymann genau – sind die Freiheitlichen mit Abstand auf Platz eins des Wählerwillens. Und dennoch geht alles seinen altbekannten Weg. Notwendige Veränderungen und Neuregelungen im Bildungsbereich, auf dem Arbeitsmarkt oder beim Problem Pensionen werden mehr oder weniger elegant verschleppt. Einzelaktivitäten und hektische mediale Aktionen statt effizienter Teamarbeit beherrschen die Szene. Ganze Stäbe wachen darüber, dass Schönfärberei Grundton ist.

Außerhalb der Kanzler-Burg herrscht – verstärkt durch monatelange politische Agonie als Reaktion auf Tausende Flüchtlinge plus allgemeinem Pessimismus nach beziehungsweise in einer langen Wirtschaftskrise – eine Stimmung zwischen Wut und Verzweiflung. Von der Einführung eines Kassasystems für Kleinunternehmen bis zu überfüllten Ambulanzen in Krankenhäusern: Der Eindruck, es fehle nur noch der sprichwörtliche Funken bis zur systemischen Explosion, verfestigt sich. Anders formuliert: Selbst wenn ein Problem keine Untergangsvisionen rechtfertigt, sind sie in vielen Aussagen und Köpfen sofort da. Die politische Reaktion darauf besteht in noch mehr Ängstlichkeit und Starre sowie Ablenkungsmanövern in In- und Ausland. Da schafft es der Bundeskanzler schon einmal, in Rom die Stabilitätspolitik infrage zu stellen, um zurück in Österreich, einen Zaun am Brenner als mögliche Notlösung für die Flüchtlingsprobleme zu ventilieren.

So spricht ein überzeugter Europäer. Aber wie geschrieben: Ähnlich dem Umfragen-Hofburg-Bingo lenkt das alles nur ab. Österreich verliert seine Position als europäischer Leistungsträger. Spielt mit der Zukunft unserer Kindergeneration. Und das ist nicht akzeptabel.


Daher sei an dieser Stelle der ernsthafte und eindringliche Appell an Werner Faymann und seine Regierung gestattet: Bewegen Sie sich! Weiter gegeneinander zu arbeiten und zu mauern hilft nur einem: Heinz-Christian Strache. Und führt zum völligen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik und das politische System Österreichs. Kleine Funken der Hoffnung wie ein SPÖ-Verteidigungsminister, der mit ÖVP-Ministern in der Flüchtlingsfrage fast kooperativ umgeht, gibt es. (Und noch sehen dies die ÖVP-Minister nicht als Zeichen der Schwäche und spinnen nicht ihre Intrigen. Noch.)

Werner Faymann hätte im letzten Drittel seiner Kanzlerschaft – auf diese zeitliche Einordnung können wir uns sicher einigen – die letzte Chance, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen: Kompromissbereitschaft wie in der Flüchtlingsfrage, wenn es um die (Nicht-)Finanzierung des Staates geht. Zugeständnisse für eine notwendige Liberalisierung des Arbeitsmarkts, eine Sanierung des Staatshaushalts und der Pensionsfinanzierung wären ein Anfang.

Das ist auch die letzte Chance für eine nicht negative Erwähnung in den Geschichtsbüchern. Die schreibt nämlich nicht die „Krone“, sondern die Realität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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