Griechenland braucht beides: Druck und Unterstützung

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Die EU kann die Griechen weder bei Kontrolle ihrer Außengrenze noch mit gestrandeten Flüchtlingen alleine lassen. Kurz sollte Athen Hilfe anbieten.

In der griechischen Regierung liegen die Nerven blank. Aus verständlichem Grund: Die Zeiten, in denen Griechenland Flüchtlinge und Migranten aller Herren Länder einfach Richtung Norden durchwinken konnte, sind vorbei. Die Balkanländer haben unter österreichischer Führung vereinbart, nicht mehr alle Reisenden passieren zu lassen. Als Schleusenwärter fungiert Mazedonien, das seine Grenztore seit dem Wochenende nur noch für Personen öffnet, die über gültige Reisepässe, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen verfügen oder direkt aus syrischem beziehungsweise irakischem Kriegsgebiet kommen. Wer diese Kriterien nicht erfüllt oder sich schon länger in einem sicheren Drittstaat aufhält, für den gibt es kein Weiterkommen mehr.

Darauf haben sich die Polizeichefs Österreichs, Mazedoniens, Kroatiens, Sloweniens und Serbiens bei einem weitgehend unbeachteten Treffen am 18.Februar in Zagreb verständigt. Im Rampenlicht besiegelt haben diesen Beschluss dann die Innen- und Außenminister dieser und anderer Staaten der Region am Mittwoch bei der Balkan-Konferenz in Wien. Nicht eingeladen war Griechenland, obwohl es die Konsequenz des verschärften Regimes an seiner nördlichen Grenze ausbaden muss. Die Flüchtlinge stauen sich nun in Hellas.

Dementsprechend empört reagierte die griechische Regierung. Ihr Zorn trifft vor allem Österreich, das bei der Aktion scharf auf dem Balkan die Fäden gezogen hat. Deshalb rief der griechische Außenminister nun seine Botschafterin aus Wien zurück. Schon am Tag zuvor hatte der griechische Premier Tsipras die Balkan-Konferenz als „Schande“ bezeichnet und ebenso wahl- wie gedankenlos damit gedroht, sämtliche EU-Beschlüsse zu blockieren, wenn Griechenland in der Flüchtlingskrise im Stich gelassen werde. Die Athener Regierung fühlt sich offenbar hinters Licht geführt. Tsipras behauptet, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe ihm jüngst in Brüssel zugesichert, die Grenzen wenigstens bis zum nächsten Flüchtlingsgipfel am 7.März offenzuhalten. Im Protestschreiben des griechischen Außenamts an Österreich ist sogar die Rede davon, dass die Polizeidirektoren die Entscheidung der EU-Regierungschefs unterlaufen hätten. Ein formeller EU-Beschluss, die Grenzen offen zu halten, ist freilich nicht überliefert. Aber vielleicht setzen die Griechen die EU mittlerweile mit Merkel gleich. Auch das ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar.

Die Reaktion des österreichischen Außenamts fiel kühl aus. Sebastian Kurz hat den Druck auf Athen bewusst erhöht. Er wirft den Griechen schon seit Monaten vor, die EU-Außengrenze zur Türkei nicht zu schützen und alle illegalen Migranten einfach weiterzuschicken. Es wäre sinnlos gewesen, Griechenland zur Balkan-Konferenz nach Wien einzuladen, erklärte Kurz. Denn Sitzungen mit den Griechen habe es schon genug gegeben, der Flüchtlingszustrom sei trotzdem nicht geringer geworden. Das mag stimmen. Doch die Seegrenze zur Türkei ist nun einmal nicht so einfach abzuriegeln. Und ohne Griechen wird man die Flüchtlingskrise nicht lösen können. Der Damm in Mazedonien kann schnell brechen.


Griechenland braucht beides: Druck und Unterstützung. Ohne Druck werden die Griechen weiterhin keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen, die EU-Außengrenze zu kontrollieren. Europa kann nicht, so wie im Vorjahr, wieder mehr als eine Million Migranten unüberprüft und ungehindert quer über den Kontinent ziehen lassen. Österreich, Schweden und bald auch Deutschland werden – aus Rücksicht auf ihre innenpolitische Balance – nicht mehr in der Lage sein, wieder so viele Menschen aufzunehmen. Deshalb ist es sinnvoll, ein Signal zu setzen, dass nicht mehr alle willkommen sind. Und das hat Österreich nun gemeinsam mit seinen Verbündeten am Balkan getan.

Es kann dauern, bis die Botschaft ankommt. Und so schnell wird der Deal auch nicht funktionieren, den die EU mit der Türkei schließen will, um Flüchtlinge nahe ihrer Heimatländer zu halten. In der Zwischenzeit könnten Zehntausende Flüchtlinge in Griechenland stranden. Europa darf die Griechen in dieser Situation nicht allein lassen. Es stünde deshalb gerade Sebastian Kurz gut an, nach Athen zu reisen und konkrete Hilfe anzubieten.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2016)

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