Bei den Pensionen hat der Finanzminister sein Reformerimage beschädigt. Die SPÖ wollte stets nichts tun. Eine Chance ist bis zur Nationalratswahl vertan.
Es ist ein klassischer Kompromiss von SPÖ und ÖVP. Die Sozialdemokraten haben die Erhöhung der Ausgleichszulage auf 1000 Euro im Monat herausgeholt. Davon werden vor allem Frauen, die 30 Jahre fleißig in Teilzeit mit geringem Lohn gehackelt haben, profitieren. Die Volkspartei hat lang geforderte Verbesserungen für Mütter in der Pension durchgebracht. Beide Parteien können etwas für ihre Klientel verbuchen. Noch viel, viel typischer bei rot-schwarzen Kompromissen: Das kostet ein paar Millionen mehr pro Jahr.
Das ist genau das Gegenteil des Ziels, die langfristige Finanzierung zu sichern. Denn wie die vereinbarten Anreize wirken und was tatsächlich aus Empfehlungen der halbierten Pensionskommission wird, muss sich erst herausstellen.
Hauptsache, ein Ergebnis. Kanzler Faymann frohlockte nach dem Ministerrat: „Wenn wir uns etwas vornehmen, dann arbeiten wir das ab.“ Abgehakt, so sieht das Pensionspapier auch aus. Für die SPÖ und ihren Sozialminister Stöger lautete die Marschroute stets, gar keine Einschnitte vorzunehmen. Denn für sie ist alles paletti, auch wenn der Zuschuss aus dem Budget beständig steigt. Gratulation an die SPÖ: Mission erfüllt! Was kümmert einen roten Politiker in der Faymann-Ära denn schon, ob in ein paar Jahren viele „grauslichere“ (copyright SPÖ) Pensionsmaßnahmen notwendig werden?
Gemessen an dem Anspruch und den ständigen Warnungen wegen der mittel- und längerfristigen Probleme bei der Pensionsfinanzierung, mit denen die ÖVP und Finanzminister Schelling angetreten sind, wirkt das Papier inhaltlich nun wie nach einer Radikaldiät. Dabei kann man der ÖVP noch zugutehalten: Wäre es nach der SPÖ gegangen, so wären die Verhandler am Ende fast nackt und ohne Feigenblatt mit dem Aufdruck Pensionspapier dagesessen. Aber mit Einwilligung der ÖVP wurde jetzt in einem wahren Slalom um alle brisanten Fragen ein Bogen gemacht: höheres gesetzliches Frauenpensionsalter wie sonst überall in Europa; Sonderrechte und Pensionsprivilegien einzelner Gruppen, Wien als Tabuzone.
Dabei pflegt gerade Schelling den Nimbus des unerschrockenen, untadeligen Reformers aus der Wirtschaft, der nicht von der Politik abhängig ist und daher parteipolitisch kaum Rücksicht nehmen muss. Es ist aus seiner Sicht logisch, dass er den Österreichern seit Montag, wie einst als Möbelhaus-Chef, speziell eine paktierte Regelung als neue Wunderwaffe im Kampf gegen explodierende Kosten verkaufen will: Es bestehe ein „Zwang“, entweder Reformvorschläge der neuen Pensionskommission oder Alternativen der Bundesregierung im Nationalrat umzusetzen. Dabei haben die Verhandler es nicht einmal geschafft festzuschreiben, ab wann die neuen Regeln gelten sollen. Ganz zu schweigen davon, dass ungewiss bleibt, was Rot und Schwarz dann im Hohen Haus mit den Pensionsvorschlägen machen.
Nur zur Erinnerung: Schon seit 2007 steht im Gesetz, dass der Sozialminister bei Abweichungen vom Pensionspfad Bericht erstatten müsse. Konsequenzen hat es nicht gegeben, der Bundeszuschuss ist vielmehr gestiegen. Schlimmer noch: 2007 hat die Stadt Wien mit dem Finanzausgleich unterschrieben, ihre Beamtenpensionen gleichwertig zu den Bundesbeamten anzupassen. Seither zeigt Bürgermeister Michael Häupl dem Bund und Schelling bei dem Thema höchstens den politischen Stinkefinger.
Eines muss zur Ehrenrettung Schellings festgehalten werden. Wenn von Parteiobmann Mitterlehner abwärts Positionen wie die vorzeitige Erhöhung des Frauenpensionsalters aufgegeben werden und der Finanzminister wegen der Hofburg-Wahl von der ÖVP gebremst wird, steht er auf verlorenem Posten. Aber auch Schelling hat – Stichwort geringere Aufwertung des Pensionskontos – bestenfalls zur Verwirrung beigetragen. Was Wunder, dass er da am starren roten Bollwerk zerschellt.
Eine Chance ist vertan. Die Österreicher können sich darauf einstellen: Bis zur nächsten Nationalratswahl wird das quälende Pensionsthema schubladisiert. Es darf massiv bezweifelt werden, ob dies tatsächlich eine gute Nachricht ist.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)