Eine Machtdemonstration als Beweis der Schwäche

Der Faymann/Häupl-Kurs wird zum Risiko für den Wiener Bürgermeister. Denn von der ehemals straff organisierten Wiener SPÖ ist nicht allzu viel übrig.

Die Wiener SPÖ galt neben der niederösterreichischen ÖVP lang als die am straffsten organisierte Landespartei. Fragte man Genossen nach Michael Häupl, lautete die Standardantwort, „der beste aller möglichen Bürgermeister“ möge ewig regieren. Abweichungen von der offiziellen Linie hörte man selten bis nie.

2016 ist das etwas anders: Da wird beim Wiener Parteitag gegen den Bundesparteiobmann protestiert; Wiener Genossen werben offen für einen grünen Bundespräsidentschaftskandidaten (wohlgemerkt im ersten Wahldurchgang); die stellvertretende rote Wiener Klubchefin, Tanja Wehsely, fordert unverblümt den Rücktritt von Werner Faymann und wird dafür ihrerseits sogleich von Wiener Genossen zum Abschuss freigegeben; und Michael Häupl selbst muss ins ORF-Studio ausrücken, um seine Botschaft an die eigene Partei („Keine Personaldebatte“) zu verkünden, weil ihm sonst offenbar keiner mehr zuhört.

Der Zustand der Wiener SPÖ erinnert derzeit an ein Bild, das man noch aus der Physikstunde kennt: Wie Eisenspäne in einem Magnetfeld richten sich die Genossen in die eine oder die andere Richtung aus. Es sind drei „F“-Fragen, entlang derer sich die Partei teilt: Flüchtlinge, FPÖ und Faymann, wobei alle drei zusammenhängen. Im Grunde geht es ja um die alte Frage, wie man es mit der Abgrenzung zur FPÖ halten soll: Die einen votieren für einen linken Kurs beim Asyl/Ausländer-Thema. Aus Prinzip und aus Gründen der Strategie. Denn die Befürworter sind überzeugt, dass der Wählerverlust an die FPÖ in Wien abgeschlossen (und unumkehrbar) ist, sprich dass man sich fortan nur mit den Grünen um die Stimmen matcht. Der andere SPÖ-Flügel hält das schlicht für weltfremd. Dessen Proponenten stammen aus den Flächenbezirken. Hier wiederum sitzen die Unterstützer Werner Faymanns, auch weil – das ist im verhaberten Wien nicht ganz unwichtig – der Kanzler dorthin die besten persönlichen Kontakte hat.

Offiziell steht Michael Häupl auch auf dieser Seite, also hinter Werner Faymann. Das hat er gestern, Donnerstag, im Fernsehen noch einmal unterstrichen. Dass er das aber überhaupt getan hat, tun musste, zeigt, wie angespannt die Lage ist. Nicht nur für Werner Faymann. Auch für Häupl. Da zunehmend der Eindruck entstanden ist, dass er „seine Partei“ nicht mehr im Griff hat, hat er sich nun noch enger an einen Mann gekettet, der Teilen der Wiener Partei regelrecht verhasst ist. Der Verbleib von Faymann an der Spitze wird damit für Häupl zur Machtprobe. Und zur Übung im Austesten von Schmerzgrenzen: Wenn kommenden Sonntag, am 1. Mai, auf dem Wiener Rathausplatz ein Protest losbricht, dann stehen Faymann und Häupl Seite an Seite.

Das wird nicht lustig. Zumal man nicht wirklich den Eindruck hat, dass Häupl mit Faymann an der Spitze so glücklich ist. Wer bei Häupls Pressegespräch am Dienstag zwischen den Zeilen gelesen hat, hat eigentlich bloß gehört, dass dieser vorerst keine Personaldebatte will. Man müsse, so Häupl, erst über Strategien reden, dann erübrige sich eine Diskussion über Personen. Das klang verdächtig nach geordneter Übergabe.

Vielleicht will Häupl aber auch deswegen nicht über Personalia reden, weil seine eigene Nachfolge als riesiger roter Elefant im Raum steht und eng mit dem aktuellen Richtungsstreit in der Partei verknüpft ist. Anders als Erwin Pröll hat er offenbar nicht vor, die Angelegenheit offensiv anzugehen, und so schwelt sie eben vor sich hin. Die Kandidaten heißen Sonja Wehsely (Team linker Flügel und Schwester der vorhin erwähnten stellvertretenden Klubchefin Tanja Wehsely) und Michael Ludwig (Team Außenbezirke). Wobei Ludwig vermutlich die besseren Karten beim Bürgermeister hat – auch, weil er sich, anders als Wehsely, an dessen Devise hält: „Ruhe jetzt!“

Allerdings kann von Ruhe in Wien keine Rede mehr sein. Der rote Kitt namens Häupl, er beginnt zu bröckeln. Seine launige Autorität reicht nicht mehr, um die Risse im roten Wiener Universum mit einem Schmäh abzutun. Es wird in Wien keine Ruhe, sondern maximal nur Ruhepausen geben. Und zwar, bis eine Entscheidung über die Spitze und Richtung getroffen ist. Im Bund – und in Wien.

E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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