Werner Faymann ist also Geschichte

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Wer auch immer dem SPÖ-Chef folgen wird: Sie oder er wird sich wohl der FPÖ öffnen. Und der ÖVP ein ernstes Problem bereiten.

So beginnt ein würdeloses Ende. Werner Faymann wurde auf der größten Bühne des Landes gedemütigt, beschimpft, ausgepfiffen und ausgebuht. Und nicht etwa von wütenden FPÖ-Anhängern, sondern von der eigenen Parteibasis. Die Bilder des kaum hörbaren Parteichefs, der da auf dem Wiener Rathausplatz beim Maiaufmarsch versucht hat, eine kurze Rede zu halten, werden die Spirale in Gang setzen beziehungsweise sie beschleunigen, an deren Ende ein neuer Parteichef und Bundeskanzler stehen wird. Michael Häupl wird den Deckel auf dem Druckkochtopf nicht mehr halten können. Zu viel ist da in den vergangenen Tagen nach der Tragödie des Rudolf Hundstorfer bei der Präsidentschaftswahl in Runde eins in Bewegung gekommen. Die Rufe nach einem Rücktritt Faymanns wollen ebenso wenig verstummen wie die Vorschläge – die höfliche Rücktrittsforderungsvariante – zur Vorverlegung des Parteitags. Vor allem aber ist der Kurs der Partei in die Kritik geraten, der nur bedingt mit Werner Faymann zu tun hat. Weder hat er einen Kurs, noch könnte er ihn halten. Wie von meiner Kollegin Ulrike Weiser an dieser Stelle präzise formuliert, sind es Flüchtlinge und Freiheitliche, die das Selbstverständnis ins Wanken bringen.


Auf der einen Seite die Wiener Stadtratsriege, die sich sowohl gegen die Verschärfung der Asylpolitik als auch gegen die Öffnung zur FPÖ stellt. Auf der anderen stehen Pragmatiker wie Hans Niessl, die die FPÖ-Wähler lieber umarmen wollen. Auf beiden Seiten halten sich Überzeugung und politisches Kalkül für die jeweilige Einstellung die Waage, nach jeder weiteren verlorenen Wahl wird Zweiteres existenzieller für die SPÖ. Das hat die Präsidentschaftswahl deutlich gezeigt. Dass die Gewerkschaft in Richtung FPÖ schwenkt, ist nicht wirklich verwunderlich: In der Sozial- und Wirtschaftspolitik stehen sich SPÖ und FPÖ viel näher als die beiden Sozialpartner-Parteien. Gegen einen Flirt mit der FPÖ würden viele, die da am 1. Mai Faymann ausbuhten, auch pfeifen, waren das am Sonntag doch vor allem die jungen und ideologisch noch treuen Genossen. Aber Faymanns Spielchen, mit der harten Asylpolitik die Burgenländer, die Restroten in den Ländern und den rechten Wiener SPÖ-Flächenbezirke-Flügel einzufangen und mit der scharfen Abgrenzung zu Heinz-Christian Strache die Rathaus-Fraktion mit den Wehsely-Schwestern an der Spitze zu bedienen, funktioniert nur am Schreibtisch im Kanzleramt. Beide Flügel verhandeln schon mit potenziellen Nachfolgern. In dieser Woche könnte dem Vernehmen nach schon jemand den Kopf herausstrecken. Dieser Kopf wird dann die rote Gretchenfrage beantworten müssen: Wie hast du's mit der FPÖ? Die Antwort wird wohl wahrheitsgemäß lauten: Immer öfter. Das wird intern ruppig und laut werden, ein paar Abgänge und Austritte zur Folge haben. Eine Spaltung ist nicht ausgeschlossen. Auch wenn in Österreichs Parteien zwecks Machterhalt intern notfalls der Spiegel, in dem man sich eben noch sehen konnte, gern einfach verdeckt wird.


Für eine andere Partei brächte die SPÖ-Annäherung ein echtes Dilemma: Bisher hatte nur die ÖVP zwei Koalitionsmöglichkeiten, nun könnte sie plötzlich zum weinenden Dritten werden. Rein machtpolitisch war wohl Werner Faymann angenehmer, weil ungefährlicher für die Volkspartei. Dass deren Obmänner das nie nutzen konnten und es nie auf Platz eins geschafft haben, sagt eine Menge über deren politisches Handwerk aus.

Sollte tatsächlich Irmgard Griss noch ein Parteien-Start-up für die nächste Nationalratswahl gründen, wird das bürgerliche Lager weiter zersplittert. Dies und die Druckkochtopfentwicklung der SPÖ könnten die viel zitierten italienischen Jahre bringen, die nach der Implosion der Christdemokraten Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts einen gewissen Silvio Berlusconi an die Macht brachten. Es hat mehr als zwei Jahrzehnte gedauert, bis heute wieder ein Sozialdemokrat einigermaßen stabil in Rom regieren kann. Genau daran denken die potenziellen Nachfolger Faymanns dieser Tage sehr oft. Aber Angst war und ist nie ein guter Ratgeber.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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