Reform mit Kinderkrankheiten Was der Zentralmatura noch fehlt

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Trotz anfänglicher Hysterie hat man sich an die neue Matura gewöhnt. Da und dort hakt es aber noch. Zum Beispiel bei der Transparenz.

Eines zeigt die Zentralmatura: Es ist in Österreich wider Erwarten tatsächlich möglich, eine mittelgroße Bildungsreform umzusetzen. Gegen teilweise massiven Widerstand und trotz manchmal berechtigter Skepsis, mit einigen hinlänglich bekannten peinlichen Patzern und unnötigen Malheurs im Vorfeld, aber ja: Es geht. Während die (angeblichen) Bildungsreformer der Regierung es auch nach Monaten nicht schaffen, die im November paktierten Überschriften auf den Weg zu bringen, geschweige denn den damals versprochenen Zeitplan einzuhalten, scheint man sich an die neue Reifeprüfung schon ein bisschen gewöhnt zu haben. Und viele scheinen immer mehr die positiven Seiten der Reform zu würdigen.

Obwohl die neue Reifeprüfung erst dieses Jahr wirklich flächendeckend ausgerollt wird und in diesem Sinn für mehrere Tausend Schüler und ihre Lehrer erst jetzt die Premiere stattfindet, ist von Maturahysterie wie im Vorjahr nichts zu spüren. Was vielleicht auch ein wenig am Selbstverständnis der berufsbildenden höheren Schulen und ihrer Lehrer liegt. Sie gehen – so könnte man meinen – bisweilen ein bisschen pragmatischer an die Dinge heran als ihre Kollegen an den Gymnasien, die nicht gerade Vertrauen versprüht haben.


Was die Zentralmatura auch zeigt, und das ist wohl kein österreichisches Spezifikum: Keine (Bildungs-)Reform geht ohne kleinere und größere Kinderkrankheiten über die Bühne. Da sind einmal die diversen Hoppalas, die die Aufregung im Vorjahr befeuert haben: fehlende Prüfungsbögen beim entscheidenden Probelauf für die Matura, für viele überraschend angepasste Notenschwellen, dann auch noch ein Text mit NS-Ideologie, ohne historischen Hintergrund. Im Februar ein Server, der den Datenmengen vieler Vorwissenschaftlicher Arbeiten nicht gewachsen war.

Gravierender als das ist allerdings, dass manche Schulstandorte der neuen Reifeprüfung (noch) nicht gewachsen sind. Sogar das Bildungsministerium spricht von manchen Schulen mit auffälligen – gemeint ist wohl: auffällig schlechten – Ergebnissen. Manche Schüler der ersten Zentralmaturagenerationen zahlen schlicht und einfach drauf. Oder: würden draufzahlen, würden ihre Lehrer nicht da oder dort ein Auge zudrücken. Was paradoxerweise auch bei einer Zentralmatura noch immer möglich ist. Und was auch gleich zum nächsten Punkt führt.


Der ist wieder typisch für Österreich. Reformen bleiben hierzulande nun einmal gern auf halbem Weg stecken. So auch die Zentralmatura. Sei es, dass dieselben Lehrer die Prüfung benoten, die die Schüler auch vorbereiten. Sei es, dass man zwischen den verschiedenen Schultypen erst recht wieder keinen Vergleich anstellen kann, außer in Deutsch. Und dann ist da die Transparenz.

Anders als in anderen Ländern werden in Österreich prinzipiell keine Resultate nach Schulen veröffentlicht, weder bei den Bildungsstandards noch bei der Reifeprüfung. Und vielleicht ist ein Einwand auch berechtigt: Zum aktuellen Zeitpunkt könnte es noch eher schaden als nutzen, wenn sich alle auf derartige Ergebnisse stürzen. Aber für die Zukunft muss klar sein, dass Eltern und Schüler ein Recht haben zu wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie eine Schule wählen. Nicht nur auf Basis von Gerüchten, sondern auf Basis der Fakten – die es ja jetzt gibt.

Dann würde wohl automatisch die Motivation der Schulen noch einmal steigen, aus den Maturaergebnissen Konsequenzen zu ziehen. Die Schulaufsicht tut das nach der Maturapremiere immerhin teilweise. Und eigentlich wäre die Zentralmatura – so widersprüchlich es klingt – die Vorbedingung für die oft geforderte Schulautonomie. Denn grob gesagt: Solange die Schulen am Ende das abliefern, was erwartet wird, ist der Weg dorthin eigentlich irrelevant. Weil es egal ist, wie viele Stunden Mathematik Schüler haben oder wie ihr Jahr organisiert ist, wenn sie die nötigen Kompetenzen erwerben.

Dass auch die in der Bildungsreform paktierte (ansatzweise) Schulautonomie frühestens im Herbst in Gesetze gegossen wird, ist daher umso bitterer. Und es ist kein Trost, dass die Regierung auch bei den anderen Teilen der Reform die selbst gesetzte Deadline – Juni – versäumt.

bernadette.bayrhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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