Regierungschef Mitterlehner: Für eine Woche oder länger?

Reinhold Mitterlehner.
Reinhold Mitterlehner.(c) APA/BARBARA GINDL
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Wie geht es eigentlich der ÖVP? Besser als der SPÖ. Aber auch ihr steht noch eine Richtungsentscheidung bevor. Sie sollte die richtige treffen.

Innerhalb von acht Jahren hat die einst so geschlossene SPÖ zwei ihrer eigenen Bundeskanzler gestürzt. Just in dem Moment übrigens, als diese abseits des vorgegebenen ideologischen Pfads eigene pragmatische Wege zu beschreiten begannen: Werner Faymann in der Flüchtlingspolitik, Alfred Gusenbauer in der Pensionspolitik.

Solches – also den Königsmord – hat zuletzt nicht einmal die notorisch zerstrittene ÖVP geschafft. Sie hatte allerdings auch weniger Gelegenheit dazu, stellte sie doch seit Wolfgang Schüssel – dessen Schicksal durch eine Nationalratswahl besiegelt wurde – und auch lang davor keinen Bundeskanzler mehr.

Dennoch steht die ÖVP nun – vordergründig – geschlossener da als die SPÖ. Sie hat die lähmenden Querelen um die Ablöse eines farblosen Parteichefs inklusive Überraschungsrücktritt schon hinter sich. Und sie hatte für diesen, Michael Spindelegger, auch umgehend einen Nachfolger, Reinhold Mitterlehner, zur Hand. Der zwar auch von Wahlniederlage zu Wahlniederlage segelt, doch nach wie vor weitgehend das Vertrauen seiner Partei genießt. Es ist ein wenig wie seinerzeit bei Wolfgang Schüssel: Dieser fuhr als Vizekanzler ebenfalls eine Wahlniederlage nach der anderen ein, doch mangels Alternative blieb er unangetastet.

Eine Alternative zu Reinhold Mitterlehner gäbe es: Sebastian Kurz. Zu früh sei das allerdings, glauben auch viele seiner Mentoren in der Partei. Reinhold Mitterlehner glaubt das sicher auch. Aber wenn es noch ein paar Jahre heißt, es sei zu früh, dann ist es für Sebastian Kurz zu spät.

Den Vizekanzler würde Kurz im Fall des Falles jedenfalls nicht geben. Zumal es unter einem SPÖ-Kanzler Christian Kern wenig zu gewinnen gäbe. Ein dynamischer, moderner Sozialdemokrat im Kanzleramt, medial bestens vernetzt – da könnte dann auch der junge Sebastian Kurz gleich etwas älter ausschauen.

Und das gilt freilich auch für Reinhold Mitterlehner. Die Gefahr, neben einem schillernden Roten mit Kanzlerbonus zu verblassen, ist evident. Und einen gewissen Glamourfaktor würden beide potenziellen sozialdemokratischen Quereinsteiger mitbringen: auch Gerhard Zeiler, immerhin ein Mann von (Medien-)Welt.

Reinhold Mitterlehner wird also gut beraten sein, das zu tun, was er in Ansätzen gestern schon angedeutet hat: auf eine Adaptierung des Regierungsprogramms zu drängen. Reformen auf der einen Seite, die Überwindung des Stillstands in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Kein Rütteln an der bisherigen Flüchtlingspolitik auf der anderen. Wie der Neue in der SPÖ das in seiner Partei durchbringen will, ist zwar die Frage. Aber es nützt nichts: Er muss.

Wobei der künftige Auftritt der Partei auch in der ÖVP selbst nicht unumstritten ist. Die Granden in den Ländern wollen, um Neuwahlen zu entgehen, dem künftigen SPÖ-Kanzler eher konzilianter entgegenkommen. Und Neuwahlen sind ja auch keine allzu verlockende Option. Sie kosten Geld, das man nach einem Bundespräsidentschaftswahlkampf ohne Wahlkampfkostenrückerstattung nicht wirklich hat. Und vor allem: Es besteht derzeit ohnehin nur die Aussicht auf einen Wahlsieg der FPÖ.

Allerdings: Einfach so weiter wie bisher, das wird auch nicht gehen. Genau diese Politik wurde zuletzt über den Umweg der Bundespräsidentenwahl abgewählt. Eine Stillstandskoalition aus Hinsichtl und Rücksichtl kann keine Option sein – nicht für den ÖVP-Obmann und auch nicht für den neuen SPÖ-Vorsitzenden.

Reinhold Mitterlehner, Regierungschef für eine Woche, hätte nun die Chance, die Regierungsgeschäfte auch weiterhin federführend in der Hand zu halten. Auch als Vizekanzler. Wenn es ihm gelingt, den SPÖ-Bundeskanzler auf den Reformweg mitzunehmen – seine eigenen Parteifreunde freilich auch. Mitterlehner muss es nur wollen. Selbst zum Preis von Neuwahlen.

Und immerhin: Reinhold Mitterlehner ist der erste ÖVP-Vizekanzler seit acht Jahren, der Werner Faymann überlebt hat. Und was man aus dessen Schicksal lernen kann, ist: Wer zu spät aktiv wird, den bestraft letztlich auch das Leben.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2016)

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