Wenn man uns schon fast 100 Prozent des Hypo-Schadens umhängt, hätte man die Pleite wenigstens für eine Föderalismusreform nutzen können.
Die am Mittwoch verkündete Grundsatzvereinbarung mit den Gläubigern der Hypo-Abbaubank Heta beschert uns das erwartete Ende mit Schrecken in Sachen Kärntner Pleitebank. Und das ist entschieden besser als ein Schrecken ohne Ende. Das ist aber auch schon alles.
Jetzt steht endgültig fest, dass die österreichischen Steuerzahler für den von außer Rand und Band geratenen FPÖ-Politikern angerichteten (und von handlungsschwachen ÖVP- und SPÖ-Politikern noch verstärkten) Milliardenschaden praktisch zur Gänze aufkommen werden. Wenn man sich die Einigung im Detail ansieht, bemerkt man sehr schnell, dass von einem echten Bail-in der Gläubiger keine Rede sein kann.
Die Halter von landesgarantierten Anleihen erleiden keinen Cent Kapitalverlust, lediglich die Gesamtverzinsung fällt ein klein wenig niedriger als vor zehn Jahren vereinbart aus. Wenn überhaupt. Denn die bundesgarantierten Nullcouponanleihen, die sie im Tausch für ihre Hypo-Papiere samt bisher aufgelaufenen Zinsen bekommen, können sie theoretisch sofort bei der EZB gegen Cash hinterlegen. In diesem Fall wären sie praktisch zu 100 Prozent bedient.
Das marktwirtschaftliche Prinzip, dass im Fall einer Unternehmenspleite die Eigentümer und die Gläubiger (in dieser Reihenfolge) für den Schaden aufzukommen haben, ist also wieder einmal auf der Strecke geblieben. Dafür kann man den amtierenden Finanzminister allerdings nicht verantwortlich machen. Ihm waren die Hände durch die irrwitzigen Kärntner Landeshaftungen weitgehend gebunden.
Er hatte in Wahrheit nur zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Kärnten in die Insolvenz zu schicken oder den ganzen Schaden den Steuerzahlern umzuhängen. Letzteres war entschieden einfacher. Weniger aus wirtschaftlichen Gründen als vielmehr aus Gründen der innenpolitischen Machtverteilung: Zwangsverwaltung für ein Bundesland – diesen Präzedenzfall wollte kein Landeskaiser riskieren. Damit hätte die österreichische Realverfassung – neun Landeshauptleute halten sich eine Bundesregierung – bedenkliche Risse bekommen. Dass es auch um viele Hundert Millionen ging, mit denen etwa Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg ihre Landes-Hypos hätten stützen müssen, ist da weniger relevant. Das hätten ohnehin wieder die Steuerzahler bezahlt.
Es sieht also so aus, als hätte Neos-Finanzsprecher Rainer Hable recht, wenn er meint, bei der Hypo-Einigung handle es sich um eine „doppelte Kapitulation“: Zum einen übernehmen die Steuerzahler praktisch den gesamten Schaden, zum anderen ist der Bund wieder einmal vor den Ländern in die Knie gegangen. Denn die gelebte Praxis, dass der Bund alle Ländertollheiten, und seien sie wie im Fall Hypo noch so kriminell, ohne Konsequenzen für die (politischen) Täter finanziell auszubügeln hat, wurde wieder einmal bestätigt.
Und das ist der eigentliche Wermutstropfen am Hypo/Heta-Kompromiss: Die Regierung hat die Chance nicht ergriffen, den Hypo-Hebel für die Maßnahme zu nutzen, die das Land am dringendsten braucht, weil es in Wirklichkeit der Angelpunkt für das Gelingen der meisten anderen anstehenden Reformen ist – den Umbau des völlig aus den Fugen geratenen heimischen Föderalismus mit dem Kernpunkt Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung. Dann hätte der finanzielle Schlag gegen die Steuerzahler wenigstens ein bisschen Sinn gehabt.
So bleibt als Fazit: Wir zahlen einen zweistelligen Milliardenbetrag für die vergangene Kärntner FPÖ-/BZÖ-/FPK-Misswirtschaft. Wie viel genau, werden wir erst nach der Verwertung der traurigen Heta-Reste wissen. Aber es wird viel sein: Als vor zwei Jahren der damalige Hypo-Chef den möglichen Schaden unter Beifall von WU-Professoren, Notenbankern und anderen Experten auf „maximal noch null bis vier Milliarden“ zusätzlich zu den damals schon angefallenen vier Milliarden schätzte, wagten wir hier den Einwand, dass es wohl mindestens zwölf Milliarden sein würden. Bis jetzt wissen wir nur eines sicher: Auch wir waren damals noch deutlich zu vorsichtig.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)