Ein Gipfel der verpassten Chancen für etwas Ruhe in Asien

G7-Gipfel
G7-GipfelAPA/AFP/MANAN VATSYAYANA
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Topthema der G7 waren Probleme mit China; aus Peking wurde aber niemand eingeladen. Ein Fehler, den die KP für ihre Propaganda nutzen wird.

Eine Sonnengöttin mit problematischer Geschichte und ein mächtiges, zorniges Gespenst wachen heuer über das Treffen der Giganten der Weltwirtschaft in Japan: Gastgeber Shinzō Abe, der Premier Japans, empfing seine Kollegen aus den größten Industrienationen an der heiligsten Stätte seines Landes, dem Schrein der Sonnengöttin. Einem Ort also mit starker politischer Symbolik: Die Göttin wird im Shintoismus als Vorfahrin der japanischen Kaiser verehrt, der Kult wurde im Zweiten Weltkrieg für Japans Expansionspolitik in Asien missbraucht. Der nationalistische Abe wählte diesen Tagungsort wohl nicht nur aus spirituell-ästhetischen Gründen.

Das dürfte die Wut des großen Abwesenden verstärken. Japans Erzfeind China – das kein G7-Mitglied ist – sitzt nicht mit am Verhandlungstisch, obwohl sich etliche Themen beim Gipfel um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt drehen: Diskutiert wird über Chinas Stahlproduktion ebenso wie über dessen Währungspolitik. Die globalen Folgen des erlahmenden chinesischen Wachstums sind Hauptthema.

Mit Argusaugen verfolgt Peking aber v. a. Gespräche zur Geopolitik: Die G7 sollten sich gefälligst aus dem Inselstreit heraushalten, polterte bereits das KP-Regime. Denn China soll beim Gipfel indirekt wegen seiner aggressiven Politik im rohstoffreichen Südchinesischen Meer verurteilt werden. China spielt in den Gewässern, in denen auch immer mehr US-Kriegsschiffe kreuzen, den muskulösen Rüpel der Region: Es lässt künstliche Inseln aufschütten und Landebahnen bauen, um „historisch begründete“ Gebietsansprüche zu untermauern. Schon mehrmals drohten Dauerprovokationen in einer direkten Konfrontation zu eskalieren. Für zusätzliche Gereiztheit im Territorialstreit sorgt das bevorstehende Urteil eines internationalen Gerichts, das die KP nicht anerkennen will.

Kritische Stellungnahmen zu Chinas Expansionspolitik durch die G7 gab es bereits. Besonders brisant sind diesmal der Zeitpunkt (knapp vor dem Gerichtsurteil) und das problematische Setting: Ausgerechnet in Japan, und dazu noch an diesem symbolträchtigen Ort, wird das abwesende Peking ermahnt, mehr für eine friedliche Lösung zu unternehmen. Nationalistische Symbolik und Gesten der Stärke sind gefährlicher Zündstoff für diese angeheizte Stimmung, in der es viel um verletzten Nationalstolz und Würde geht: China wird das Statement als direkte Provokation des verhassten Japan interpretieren, mit dem es ohnehin heftig über Territorien im Ostchinesischen Meer streitet.

Fragt sich nun, wer vom verschärften Antagonismus profitiert: In erster Linie wohl Japans Premier, der das Thema Südchinesisches Meer auf die Agenda gesetzt hat. Abe braucht PR für seinen Kurs: Er will ein Ende der Ära der passiv-pazifistischen Außenpolitik. Mit der Anti-China-Haltung als Legitimationsbasis plant er, Japan als (auch militärisch aktive) Regionalmacht zu etablieren. Was Washington entgegenkommt: Die USA wollen Pekings Hegemonialstreben stoppen und suchen internationale Rückendeckung. Da eine UN-Resolution ausgeschlossen ist – China ist UN-Vetomacht –, ist vorerst das G7-Verdikt das Stärkste, das sie auf multinationaler Ebene erreichen können.

Dabei handelt es sich um einen denkbar schwachen Rückhalt. Von den Europäern ist wenig zu erwarten: Die EU schafft es ja nicht einmal, mit den eigenen Problemen fertigzuwerden. Wenn es hart auf hart kommt, wird kaum jemand bereit sein, den wichtigen Handelspartner China zu verärgern. Hinzu kommt, dass die Chinesen nicht ganz unrecht haben, wenn sie die G7 herablassend als „antiquierten Klub des vergangenen Jahrhunderts“ darstellen (diese Länder vertreten nur zehn Prozent der Weltbevölkerung und ein Drittel des globalen BNPs.).

Genau die Gipfeldiplomatie hätte heuer mehrere Chancen geboten, Brücken über die gefährlich tiefen asiatischen Gräben zu errichten – selbst wenn es nur fragile Brücken gewesen wären. Zum einen hätte eine Einladung Chinas nach Japan direkte Gespräche am Rande des Treffens ermöglicht. Außerdem ist China im September selbst Gastgeber des G20-Gipfels. Abstimmung bei der Organisation der beiden Events hätte einen weiteren Weg zum Dialog geebnet.

Stattdessen wird nun Peking wohl sehr bald verbal zurückschießen.

E-Mails an:susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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