Die populistische Welle

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Rundum sind Vereinfacher mit Schein-Antworten auf dem Vormarsch. Die liberale Elite sollte sie nicht verteufeln, sondern mit ihnen reden. Denn sonst radikalisieren sich die Trumps dieser Welt weiter.

Schlag nach bei Plutarch und Thukydides: Populisten und Demagogen sind wahrlich kein neues Phänomen, es gab sie im alten Rom ebenso wie in der griechischen Antike. Der Typus des Volkstribunen ist der Demokratie in die Gene geschrieben. Trotzdem erschrecken Eliten immer wieder aufs Neue, wenn ein Verbalrabauke dem Volk hemmungslos nach dem Maul redet und damit reüssiert. Im Moment erstarrt das liberale Establishment vor Schaudern, und zwar weltweit.

Auf den Philippinen hat jüngst ein Macho-Bürgermeister namens Edgar Duterte, der Verbrecher öffentlich hinrichten möchte und den Papst schon einmal als Hurensohn bezeichnet, die Präsidentenwahlen gewonnen. In den USA ziehen die Republikaner nun tatsächlich mit Donald Trump in die Schlacht um das Weiße Haus, einem vulgären Milliardär, der den Freihandel verdammt, Millionen illegaler Migranten deportieren, keine Muslime mehr ins Land und die Mexikaner für den Bau einer Mauer an der Grenze zahlen lassen will. Und auch quer durch Europa sind isolationistische Vereinfacher und Aufwiegler mit ihren destruktiv-plakativen Schein-Antworten auf dem Vormarsch. Die Gründe für ihren Erfolg sind unterschiedlich: In Österreich etwa entlädt sich der Frust über ein Proporzkartell des Stillstands, auf den Philippinen trieben Korruption und Armut Duterte Wähler zu, in den USA fischt Trump im Reservoir zorniger, zu kurz gekommener Weißer, die um ihre demografische Mehrheit bangen. Und doch lassen sich Gemeinsamkeiten aus dem globalen Trend destillieren.

Populisten agieren nicht im luftleeren Raum. Sie profitieren von allgemeiner Unzufriedenheit mit dem System, von Folgen der Globalisierung, von Verunsicherung durch Wandel. Zulauf erhalten sie, wenn Eliten versagen und mit ihrer formelhaften Sprache nicht mehr das Volk erreichen, wenn die Wirtschaft und/oder die Einkommensentwicklung einzelner Schichten stagnieren. In Europa kommen noch zwei gut geölte Mobilisierungsfaktoren hinzu: die Immigration und die mangelnde Problemlösungskapazität der EU. Beides aktiviert wie in einer Jukebox rechtspopulistische Schlager: die Betonung nationaler Identität, die Angst vor Überfremdung und dem Islam. Die EU gibt dabei angesichts ihres Kontrollverlusts in der Flüchtlingskrise das perfekte Feindbild ab.

Ausgrenzung, das lehrt das österreichische Beispiel, ist kein geeignetes Mittel, um Rechtspopulisten einzudämmen. Im Gegenteil: Sie gedeihen dann noch besser. Einbindung wäre das Gebot der Stunde. Eine Mäßigung ist nur zu erwarten, wenn die abgeschotteten Milieus der Liberalen und Rechtspopulisten in Kontakt treten. Derzeit reden sie fast nur mit ihresgleichen. Meinungen können sich so nicht abschleifen, sie spitzen sich zu, verschärft durch inzestuöse Kommunikationsblasen in sozialen Medien.

Man sollte im Gespräch bleiben, den Populismus nicht dämonisieren, sondern idealerweise sogar nutzbar machen, wie der große alte Mann der deutschen Soziologie, Jürgen Habermas, 2014 in einem Interview mit der „FAZ“ andeutete: „Der Rechtspopulismus erzwingt die Umstellung vom bisherigen Elitemodus auf die Beteiligung der Bürger.“ Das wäre doch auch eine Möglichkeit.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2016)

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