Der neue Stil versinkt in alten Gräben

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Ob Flüchtlinge, ob Rechnungshof: Erste dunkle Wolken ziehen wieder über Rot-Schwarz auf. Auch eine Folge der Flügelkämpfe bei SPÖ und ÖVP.

Das war es dann also fürs Erste mit der Koalition neuen Stils. In der ÖVP war man baff, dass SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern die Asyllinie aufweicht. In der SPÖ war man baff, dass ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka eine „schwarz-blaue“ Kandidatin für das Amt des Rechnungshof-Präsidenten durchsetzt.

Reinhold Mitterlehner stand beide Male daneben. Im ersten Fall direkt neben Kanzler Kern, als dieser beim Pressefoyer nach dem Ministerrat davon sprach, dass es derzeit erst 11.000 Asylverfahren gebe und nicht wie bisher immer verlautbart die doppelte Anzahl. Und im zweiten Fall, der Nominierung von Helga Berger zur Nachfolgerin von Josef Moser, ließ der ÖVP-Chef – wie es den Anschein hat – seinen Klubobmann einfach einmal gewähren. Im Good-Cop-Bad-Cop-Spiel sind die beiden mittlerweile ja schon eingeübt.

In der SPÖ jedenfalls verweist man erbost darauf, dass mit Mitterlehner anderes ausgemacht war: nämlich gemeinsam eine unabhängige, qualifizierte Kandidatin von außerhalb des engeren Politikbetriebs zu suchen. Helga Berger, derzeit Budgetsektionschefin im ÖVP-Finanzministerium und zuvor engste Mitarbeiterin der FPÖ-Politiker Susanne Riess-Passer und Jörg Haider, zählt aus Sicht der Sozialdemokraten eher nicht dazu.

Ein erster, ernster Koalitionskrach nach dem (neuerlichen) Neustart von Rot-Schwarz also, der seine Entsprechung auch in den beiden Parteien selbst hat. Denn auch da tun sich Gräben auf, was sich dann wiederum auf die Regierung auswirkt. In der SPÖ stellt sich das so dar: Der linke Flügel, bedient von ChristianKern, gegen den rechten Flügel, angeführt von Hans Peter Doskozil. Und in der ÖVP so: Reinhold Mitterlehner als führender Vertreter des konsensorientierten Weiter-wie-bisher-nur-eben-mit-neuem-Stil-Flügels auf der einen Seite. Und die jungen Wilden um Sebastian Kurz und Gernot Blümel mit dem nicht mehr ganz so jungen Reinhold Lopatka auf der anderen Seite. Also die Großkoalitionäre in der Volkspartei gegen jene, die alles andere lieber hätten als eine Koalition mit der SPÖ – notfalls eben auch eine mit der FPÖ.

Auch wenn sich Kern mit den 37.500 „Asylberechtigten“ anscheinend versprochen hat, die vom Innenministerium übernommene Zahl der 11.000 zum Asylverfahren Zugelassenen pickt. Es gibt also wesentlich mehr Spielraum, um die Obergrenze von 37.500 zu erreichen als bisher (mit der Zahl von 22.000)angenommen. Wenn man es so rechnet. Und das verschafft auch Kern wiederum mehr Luft bei jenen von der Refugees-welcome-Fraktion, die ihn mit zum Parteichef und Kanzler gemacht haben.

Eine Obergrenze von 37.500 Asylberechtigten statt 37.500 Asylwerbern wäre jedenfalls schwer zu vermitteln. Dann hätte man in Summe Asylwerberzahlen wie im Vorjahr. Und diese Debatte haben wir eigentlich schon geführt – und nach längerem Hin und Her im Sinn einer vernünftigen Lösung eigentlich auch beendet. Eines der wenigen bleibenden Verdienste Werner Faymanns.

Auf der anderen Seite wird man auch davon ausgehen können, dass Reinhold Lopatka nicht in das Match um den Rechnungshof geht, um es zu verlieren. Während die SPÖ relativ unvorbereitet in die Auseinandersetzung um die Moser-Nachfolge hineintapst, verfolgt Lopatka seinen Plan schon länger.

Und wird Helga Berger tatsächlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ zur neuen Rechnungshof-Präsidentin gewählt, dann wird mit Verwerfungen in der Regierung zu rechnen sein, die länger nachwirken werden. Sofern sie nicht überhaupt zu einem recht baldigen Bruch der Koalition führen. Und der New Deal könnte alten Machtspielen zum Opfer gefallen sein, bevor er überhaupt noch ausformuliert ist.

Die Rechnungshof-Wahl als eine Art Bundespräsidentenwahl für Arme, um im Sprachbild des neuen Bundeskanzlers zu bleiben. Auch sie hat das Potenzial, die politischen Verhältnisse noch einmal durcheinanderzuwirbeln. Und von der ORF-Wahl im August reden wir da noch gar nicht.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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