SPÖ und ÖVP können nicht koalieren

NATIONALRAT: LOPATKA/KERN
NATIONALRAT: LOPATKA/KERN(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Mit dem Rechnungshof-Präsidenten endet die rot-schwarze Liebe schon wieder. Die beiden Parteien finden nicht einmal einen gemeinsamen Kandidaten.

Die Formulierung ist klar: „Die in diesem Vertrag vereinbarte Zusammenarbeit zwischen der SPÖ und der ÖVP gilt als beendet, wenn gegen den Willen einer Koalitionspartei im Plenum oder in den Ausschüssen des Nationalrats mit Stimmen von Abgeordneten der anderen Koalitionspartei ein Beschluss gefasst wird.“

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hat das Regierungsübereinkommen aber vermutlich nicht gelesen. Oder er will – gemeinsam mit seinem Gegenüber Andreas Schieder – die Regierung Kern nach gerade einmal zwei Wochen stürzen. Bravo.

Aber der Steirer sitzt auch nicht in der Regierung, sondern im Parlament, wo er mehr mit Abgeordneten des Teams Lopatka – früher bekannt als Team Stronach – denn mit Sozialdemokraten verkehrt. Anders ist nicht nachzuvollziehen, warum Lopatka mit Verhandlungsgeschick und in gewohnter Manier des Frank Underwood der Regionalliga Süd eine schwarz-blaue-wasauchimmer Mehrheit für seine Rechnungshof-Kandidatin, Helga Berger, geschmiedet hat. Am kommenden Donnerstag wird sich weisen, ob sie auch hält und ob es der ÖVP gelingt, Christian Kern eine erste symbolische Niederlage zuzufügen.

Dieses Motiv wird – neben dem machtpolitischen Aspekt – in der ÖVP einigermaßen unverhohlen formuliert. Die Begeisterung vieler Medien über den Neuen an der SPÖ-Spitze und die leicht unbeholfenen Versuche Reinhold Mitterlehners, den neuen Kanzler so innig zu umarmen, bis sich dieser auch für schmerzliche Reformen erwärmt, haben in der ÖVP offenbar unschöne Emotionen ausgelöst. Es steckt auch ein strategisches Kalkül dahinter: Nicht wenige in der ÖVP fürchten, als beflissener Juniorpartner an der Seite von „Magic Christian“ (© Josef Urschitz) marginalisiert zu werden und in einer Duellsituation zwischen Kern und Heinz-Christian Strache unterzugehen wie Andreas Khol in der Präsidentschaftswahl.

Christian Kern hat in seiner viel beachteten Antrittsrede die Kurzatmigkeit und Hysterie der Medien angesprochen, denen er sich entziehen wolle. Nun, die Medien benötigt dafür keiner mehr. Im Gegenteil: Vor weniger als zwei Wochen haben SPÖ und ÖVP – auch ein mit viel Kreide versorgter Reinhold Lopatka – geschworen, auf einen neuen konstruktiven Kurs einzuschwenken, den alten Intrigen und Streitereien abzuschwören. Nur Tage später gehen beide Parteien wegen der Besetzung eines einzelnen Jobs mit verschiedenen Kandidaten aufeinander los. Es fällt einem Journalisten schwer, diese Mischung aus Verlogenheit und Kurzatmigkeit einem normal denkenden Leser zu erklären. Denn es kann sich dabei nur um niedere Instinkte handeln.

Natürlich trägt auch die Kanzlerpartei Schuld an der verfahrenen Situation. Professionell oder kompromissbereit agierte die SPÖ nicht, suchte viel zu lang und lang erfolglos eine Kandidatin. Die des Koalitionspartners lehnt die SPÖ kategorisch ab. Wer den stolzen Klubobmann Andreas Schieder in den vergangenen Wochen beobachten durfte, erlebte den wichtigsten Parlamentarier einer Partei, die unbemerkt offenbar wieder allein regiert. Längst streuen übrigens manche in SPÖ und „Krone“, dass Josef Ostermayer eine solche Situation, wie sie nun um den Rechnungshof-Präsidenten droht, im Ansatz verhindert hätte.

Das alles zeigt: Christian Kern wird das machen müssen, was Reinhold Mitterlehner in der Frage Rechnungshof-Präsidentin nicht mehr geschafft hat: hart durchgreifen und die Partei auf Linie bringen – selbst wenn es um einen ungeliebten Kompromiss oder scheinbares Nachgeben geht. Die nächste Station wartet mit der Küniglberg-Wahl schon.

Die ÖVP spielt ihr altes Spiel: In der Zuversicht, die SPÖ würde Neuwahlen und die FPÖ noch mehr fürchten als sie selbst, könne man sich weit aus dem Fenster lehnen. Dem Vernehmen nach sollen gerade dabei aber nicht wenige Schwarze schon verunglückt sein.

Fest steht: Am sinnlosesten und dümmsten sind folgende Wahlabendsprüche: „Wir haben die Botschaft verstanden. Wir nehmen die Niederlage ernst. Wir werden uns ändern.“

Das sind dreiste Lügen. Ihr habt gar nichts verstanden. Und ihr könnt euch einfach nicht ändern.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)

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