Weil ständige Kritik schadet: Danke, liebe Lehrer!

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Wertschätzung Lehrern gegenüber fehlt. Das macht den Job für talentierte junge Menschen unattraktiv – was sich rächen wird.

Heute ist Zeugnistag im Osten des Landes. Das ist in Österreich traditionell auch der Tag, an dem eine neuerliche Debatte über die (zu) langen Sommerferien beginnt, also, um das Kind beim Namen zu nennen, über den neunwöchigen Urlaub der Lehrer. Diese Diskussion soll man führen. Es gibt viele sachliche Argumente dafür. Die Triebfeder dabei sollte aber nicht Neid und Missgunst gegenüber den Lehrern sein. Hierzulande scheint das leider meist der Fall. Denn schon lang gehört Lehrer-Bashing zum guten Ton.

Dabei wird völlig vergessen, dass das stetig sinkende gesellschaftliche Ansehen der Lehrer für Österreich zunehmend zum Problem wird. Das macht sich in den Klassenzimmern bemerkbar, wenn Schüler ihren Lehrern keinen Funken Respekt mehr entgegenbringen, weil die Eltern in den Gesprächen zu Hause aus ihrer Ablehnung gegenüber den Pädagogen kein Geheimnis machen. Das zeichnet sich in den Konferenzzimmern ab, wenn vormals engagierte Pädagogen plötzlich keine unbezahlten Zusatzaufgaben mehr übernehmen wollen, weil ihnen mittlerweile bewusst ist, dass Dank ohnehin ausbleibt. Und das sieht man auch daran, dass viele talentierte junge Menschen nicht im Traum daran denken, Lehrer zu werden. Wer lässt sich schon freiwillig zur Buhfrau beziehungsweise zum Buhmann der Nation ausbilden? Eben.

Wie entscheidend gesellschaftliche Wertschätzung ist, zeigt Musterschüler Finnland. Dort ist der Lehrerberuf heiß begehrt. An der Bezahlung kann das nicht liegen. Die ist verglichen mit anderen Akademikerjobs auch dort niedrig. Dennoch bewerben sich für die Lehramtsstudien die besten Schulabsolventen. Davon werden weniger als zehn Prozent genommen. In Finnland ist es somit schwieriger, Lehrer zu werden als Arzt. Die penibel ausgewählten Lehrer genießen eine fundierte, wissenschaftliche Ausbildung. Oft bleiben sie auch später mit Universität und Wissenschaft verbunden. Bei Reformen verlässt man sich mitunter auch auf ihre Expertise.

In Österreich ist das nahezu undenkbar. Hier ging man bisher den umgekehrten Weg. Die öffentliche Skepsis Lehrern gegenüber schien den jeweiligen Bildungsministerinnen nicht ganz ungelegen zu kommen. Des gesellschaftlichen Rückhalts konnten sie sich bei Vorhaben wie der Erhöhung der Lehrerarbeitszeit somit nämlich sicher sein. Auch wenn Wiens Bürgermeister, Michael Häupl, für seine Aussage „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig“ offiziell gescholten wurde, dürften ihm insgeheim viele recht gegeben haben.

Dieses Imageproblem ist freilich auch hausgemacht. Die Lehrergewerkschaft hat den Pädagogen mit ihrem reflexartigen Nein zu jeglichen Reformen einen Bärendienst erwiesen. Auch die oft überzogene Rhetorik hat viel zerstört. Aussagen wie die Regierung führe eine „Schuldiktatur à la Nordkorea“ ein oder es gebe Krieg, wenn die Regierung die Lehrerarbeitszeit erhöhe (beide Male AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin), schaden dem Lehrerimage mehr als sie verhandlungstaktisch bringen.
Die Macht der schwarzen Lehrergewerkschaft hat notwendige Reformen verhindert oder verwässert. Mit dem neuen Lehrerdienstrecht, das Ende 2013 zwar schlussendlich gegen den Willen der Gewerkschaft beschlossen wurde, hat man eine große Chance verpasst. Es wurde nicht nur verabsäumt, den Lehrerarbeitstag einer modernen Schule anzupassen. Sondern auch die Gelegenheit ungenützt gelassen, besonders engagierte Pädagogen finanziell zu belohnen und sich von jenen, die es sich im System zu gemütlich gemacht haben, notfalls zu trennen. Schade. Das hätte auch das Vertrauen in die Pädagogen wieder stärken können.

Viele der 125.000 Lehrer haben dieses aber schon jetzt verdient. Sie haben im auslaufenden Schuljahr pädagogisch und erzieherisch wertvolle Arbeit geleistet. Sie haben es geschafft, mehr als 13.000 Flüchtlingskinder, meist ohne Deutschkenntnisse und oft traumatisiert, zu integrieren. Sie haben 40.500 Maturanten zur und die meisten durch die Zentralmatura begleitet und damit die größte Reform seit Langem umgesetzt.
Angesichts dessen: Danke!

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)

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