Wenn ein Wörtchen zwei Tage Schulfrieden vorgaukelt

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Mitterlehner/Kern(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Kaum haben sie sich auf die Bildungsmilliarde geeinigt, streiten SPÖ und ÖVP wieder. Es spießt sich am Wort „insbesondere“. Und an der Streitlust generell.

Die deutsche Band Element of Crime, die kürzlich in Wien gastiert hat, singt in einem ihrer Stücke einen ziemlich treffenden Satz. Es geht darum, wie denn eine U-Bahn U-Bahn heißen könne, wenn sie nicht ausschließlich unter der Erde fahre. Dass das ja irreführend und gefährlich sei. Und ob es denn reiche, wenn man die Linie sperre, bevor sie überirdisch werde. Das gebe zwar sicher böses Blut, „doch Sprache ist, das wissen wir, das allerhöchste Gut, und ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg“.

Nun kann man über das allerhöchste Gut streiten, und mit dem Gartenzwerg soll niemandem zu nahe getreten werden. Der Satz kommt einem aber in den Sinn, wenn man sich das aktuelle Gezänke zwischen den abgeblichen Koalitionspartnern ansieht. Auf das ehrlich lobenswerte (!) Vorhaben, den ewigen Sonntagsreden endlich Taten folgen zu lassen und Geld in die Zukunft zu stecken, konkret: eine Milliarde Euro in Bildung und Forschung zu investieren – folgt der Zwist. 750 Millionen Euro sollen nämlich insbesondere in den Ausbau der Ganztagsschule fließen. Und SPÖ und ÖVP streiten nun darüber, was damit eigentlich genau gemeint war.

Müssen 750 Millionen Euro jetzt ausschließlich für die Ganztagsschulen verwendet werden? Oder darf auch etwas davon an die Kindergärten gehen? Und was ist mit den Fachhochschulen, die aus dieser Einmalzahlung der Banken übrigens ohnehin schon bedacht werden?


Was angesichts des Wörtchens „insbesondere“ – das SPÖ und ÖVP aktuell jeweils unterschiedlich interpretieren – zu erwarten war, siehe oben. Die fehlende Klarheit in der Sprache hat immerhin knappe zwei Tage lang kaschiert, dass ein gemeinsames Papier dieser Koalition noch lang nicht bedeutet, dass man sich wirklich einig ist. Schon gar nicht in der Bildung, man erinnere sich an das Reformpapier, bei dem das im vergangenen November virtuos vorexerziert wurde. Weshalb bis heute fast nichts umgesetzt ist.

Es ist also nicht so, dass man das nicht schon kennt. Ernüchternd ist es trotzdem. Ganz besonders, da der eine, der obligatorische Streitpunkt in der Schulpolitik zurzeit ohnehin vom Tisch ist: Die Gesamtschule – das rote Tuch für die ÖVP – ist zwar wohl für die SPÖ immer noch ein Ziel. Für die neue Bildungsministerin, Sonja Hammerschmid, aber in der Prioritätenliste nicht sonderlich weit oben. Und so streitet man halt jetzt über die Dinge, bei denen man sich eigentlich halbwegs einig sein sollte oder sogar ist. Die Ganztagsschule eben.

Der Streitpunkt, ob das Geld nur in die verschränkten und damit für die ganze Klasse verpflichtenden Ganztagsschulen (das SPÖ-Modell) oder auch in Schulen mit reiner Betreuung am Nachmittag fließen kann (was die ÖVP präferiert), wird nun den Schulstandorten überlassen. Man wolle nicht diktatorisch vorgehen, sagte Staatssekretär Harald Mahrer. Es riecht aber auch ein bisschen danach, dass ungeliebte Entscheidungen unter dem Vorwand der Schulautonomie nach unten abgeschoben werden, anstatt tatsächlich Schulpolitik zu machen.


Diese Debatte wird sich aber irgendwann durch die normative Kraft des Faktischen auflösen, ohne jemanden zur ganztägigen Abgabe der Kinder zu verpflichten. Wo gibt es denn noch großflächig das Familienmodell, in dem ein Elternteil (also in der Regel die Mutter) die Kinder jeden Tag zu Mittag erwartet? Und wer seine Kinder den ganzen Tag in die Schule schickt, wünscht sich für sie wohl eher einen pädagogisch sinnvoll und abwechslungsreich gestalteten Tag als einen mit Unterricht vollgepackten Vormittag und einen betreuten Nachmittag. Wenn die Qualität und die (Freizeit-) Möglichkeiten stimmen, natürlich.

Ungelöst ist in der Zwischenzeit und trotz der Milliarde für die Bildung übrigens das Budgetloch des Bildungsministeriums. Nach wie vor ist nicht klar, wo die 550 Millionen Euro herkommen sollen. Eine Frage ist, ob es im Ressort selbst tatsächlich kein Sparpotenzial gibt (oder, das klingt doch gleich etwas besser: Effizienzsteigerungspotenzial). Eine andere, ob nicht auch hier besagte verkehrte Koalitionsräson mitspielt. Und manch einer Lust daran hätte, den angeblichen Partner im Regen stehen zu lassen.

E-Mails:bernadette.bayrhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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