Clinton bietet Kontinuität, Trump will radikalen Kurswechsel

„It's the economy, stupid“: Der Republikaner geht an das Thema Wirtschaft gewohnt rabiat heran, Clinton macht Zugeständnisse an den linken Flügel.

Es war der Mann der heutigen Kandidatin Hillary Clinton, der mit einem Wirtschaftswahlkampf vor zwei Jahrzehnten ins Weiße Haus einziehen konnte. „It's the economy, stupid!“ Der Spruch ist heute so bekannt, dass Wahlkampfleiter ihn im Schlaf rezitieren können. Der Erfolg Bill Clintons gab ihm damals recht, im Rennen um die Präsidentschaft auf die Wirtschaft gesetzt zu haben – und nicht etwa auf außenpolitische Themen.

Fast zehn Jahre nach der größten Finanzkrise seit den 1930er-Jahren stellt sich heuer die Frage nach dem Thema Nummer eins gar nicht. Schon die Amtszeit von Barack Obama war geprägt von ökonomischen Fragen. Und der scheidende Präsident wird auch nicht müde, auf die wirtschaftlichen Erfolge seiner Regentschaft zu verweisen. Dass Amerika vergleichsweise gut und rasch aus der Finanzkrise gekommen ist, garantiert Obama wohlwollende Worte in den Geschichtsbüchern.

Und jetzt? Hillary Clinton will auf der Arbeit Obamas aufbauen – auch wenn sie dem Druck des linken Parteiflügels in einigen Punkten nachgeben muss. Und Donald Trump will, was Donald Trump eben will: einen radikalen Kurswechsel – auch in der Wirtschaft. Jetzt, da er die Nominierung in der Tasche hat und die Wahl nur noch drei Monate entfernt ist, hat das sogar schon Auswirkungen auf das wichtigste Puzzelteil der US-Wirtschaft: den Dollar.

Denn auch wenn die US-Notenbank Federal Reserve auf ihre Unabhängigkeit pocht – es wird Hillary Clinton oder Donald Trump sein, die/der entscheidet, wer nach Janet Yellen über die US-Geldpolitik regiert. Einige Analysten gehen jetzt davon aus, dass die Dollar-Zinsen bis November sicher nicht steigen, weil Yellen die Auswirkungen eines möglichen Trump-Sieges abfedern will. Die Börsen freut das, denn das Geld bleibt länger billig. Aber es ist eine schöne Illustration dafür, wie paradox ein Wahlkampf sein kann: Trump, der offen mit dem Goldstandard flirtet und somit für eine extrem restriktive Geldpolitik steht, hält durch seine bloße Existenz die Zinsen niedrig. Gleichzeitig fürchten Ökonomen negative Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft – während viele Wähler sich von dem Republikaner wirtschaftliche Vorteile erhoffen. Aber wie viel von seinen großspurigen Ankündigungen übrig bleibt, werden wir nur sehen, wenn er auch ins Weiße Haus einzieht. Nur soviel wissen wir schon jetzt: Den Goldstandard kann er jedenfalls nicht wieder einführen, dass verbietet schon der Internationale Währungsfonds (IWF).

Wie am Anfang des Wahlkampfes scheint Trump auch beim Thema Wirtschaft bewusst auf besonders rabiate Aussagen zu setzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Er will sich wohl als „Change“-Kandidat inszenieren. Dass Clinton unter Obama Außenministerin war und viele Elemente von Obamas Politik fortführen will, hilft Trump dabei.

Auf der Zielgeraden wird es jetzt spannend. Denn der schrille Wahlkampf geht tatsächlich einem enorm bedeutsamen Richtungsentscheid voran: Wie soll Washington auf die bekannten und überraschenden Herausforderungen der nächsten Dekade reagieren? Clinton bietet Kontinuität. Sie wird die Politik von Barack Obama weiterführen und will große Brocken angehen, die der Linken am Herzen liegen – wie Collegekosten und Einkommensungleichheit. Das ist auch dem Erfolg ihres innerparteilichen Widersachers Bernie Sanders zu verdanken. Trump will die Wirtschaft entfesseln und Jobs aus Übersee zurückholen, indem er die Steuern senkt. Der Regulierung des Finanzmarkts will er erstmal einen Riegel vorschieben. Beide Kandidaten wollen in Infrastruktur investieren.

Es gibt aber ein ungelöstes Problem: Weder Trump noch Clinton werden Jobs zurückholen können, die der steigenden Produktivität durch den Fortschritt der Technik „zum Opfer“ gefallen sind. Im Wahlkampf wird das kaum zum Thema werden – aber wie der Wahlsieger diese Herausforderung meistert, wird über die langfristige Zukunft der US-Ökonomie entscheiden.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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