Der politische Kampf um den ORF geht jetzt erst richtig los

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Die Folgen des rot-schwarzen Duells um den ORF werden das Land weiter spalten. Für die SPÖ könnte es ein Pyrrhussieg sein.

Es waren wieder einmal ein paar kurze Bemerkungen eines FPÖ-Politikers, die man zwar interpretieren kann, aber dennoch aufhorchen lassen: Norbert Steger, als Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler ein guter Zeuge dafür, wie entpolitisiert der ORF-Stiftungsrat endlich ist, hat zur Bestellung des neuen ORF-Chefs eine interessante These zum Besten gegeben. Dieser sei ohnehin nur für ein Jahr gewählt, da von Neuwahlen 2017 auszugehen sei. Und er, Steger, schreibe schon an einem neuen ORF-Gesetz. Das man dann also offenbar beschließen werde – mit welchen Koalitionspartnern auch immer.

Nun so einfach ist die blaue Welt dann doch nicht. Noch ist Heinz-Christian Strache nicht Bundeskanzler und eine Zweidrittelmehrheit, die für ein neues ORF-Gesetz notwendig wäre, für die Freiheitlichen in weiter Ferne. Aber die Aussage zeigt eines ganz deutlich: Die FPÖ wird noch stärker als bisher den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attackieren und angreifen. Und es gehört nach der Tempelberg-Affäre um FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wie die Kollegen im ORF reagieren werden. Sie werden sich wehren.

Der öffentlich geführte Kampf entspricht ganz dem Drehbuch von Herbert Kickl, FPÖ-Medienspezialist und Heinz-Christian Straches Autor: Ihm ist es mittels eigener sozialer FPÖ-Medien und eines von der Partei betriebenen TV-Digital-Kanals gelungen, eine Art Gegenöffentlichkeit aufzubauen, die er nun mittels noch schärferer Abgrenzung zum „Staatsfunk“ (seine Diktion) weiter vergrößern will. Diese Taktik ist übrigens nicht ganz neu, wurde in anderen Ländern ähnlich vollzogen, aber in der FPÖ-Zentrale perfektioniert.

Durch die Kür Wrabetz' – oder besser: durch die Niederlage Richard Grasls erhält dieses Szenario eine neue Dimension: Mit dem ORF-Finanzchef verliert die Volkspartei ihren „Bürgerlichen“ an der Spitze des Unternehmens. Die Lust der Revanchisten in der Partei, sich ebenfalls gegen ORF und Gebührenfinanzierung zu stemmen, wird sehr schnell steigen. Nicht wenige in der ÖVP fordern eine (Teil-)Privatisierung und das Ende des ORF in dieser Dimension. Das wäre der besondere Treppenwitz dieser Wahl: Genau jene Kräfte in der ÖVP, also die Zentrale in St. Pölten und Chefzyniker Reinhold Lopatka, haben die Niederlage mitverschuldet und werden in der ORF-Frage dennoch vermutlich Oberwasser bekommen.

So gesehen erlebt SPÖ-Chef Christian Kern einen Pyrrhussieg, den er schon erahnt hat. Er wollte beim ORF dem Vernehmen nach eine gemeinsame Regierungslösung (wie schon beim Rechnungshof) mit einem dritten parteiunabhängigen Kandidaten und scheiterte an der ÖVP. (Und wohl auch ein wenig an den eigenen Truppen, die sich schon für Alexander Wrabetz warmgelaufen hatten.) Im Übrigen darf man nach der Wrabetz-Wahl einmal klar und deutlich festhalten: So gut beherrschen die Herren Lopatka und Pröll ihr politisches Handwerk offenbar doch nicht. Das war eine klare Niederlage.

Übrigens: Es wäre nicht die ÖVP, wenn sie in letzter Sekunde, also mit der Angst vor Augen, etwa in die Bestellung der Landesdirektoren nicht mehr eingebunden zu sein, nicht doch wieder einen Deal mit Wrabetz andenken könnte: also die Arbeit des ORF nicht lautstark infrage zu stellen. Der Abtausch von Interessen war bisher noch immer so. (Allerdings ist die Volkspartei längst in mehrere Lager gespalten, wer sich in dieser Frage durchsetzt, wird sich weisen.)

Für das politische Klima im Land wird diese Auseinandersetzung um ein Medium und um Journalisten, die großteils einfach ihren Job erledigen, alles andere als hilfreich gewesen sein. Um den ORF hat die eigentliche politische Auseinandersetzung um das größte Medienunternehmen dieses Landes erst begonnen.
Wie der ORF und die mediale Öffentlichkeit nach diesem aussehen werden, lässt sich nicht einmal erahnen. Alexander Wrabetz könnte der letzte ORF-General seiner Art sein. Und er dürfte heute der vielleicht einzige Gewinner sein.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

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