Russland und der Iran intensivieren ihre militärische Zusammenarbeit in Syrien. Damit wollen sie nicht nur dem Regime in Damaskus den Hals retten.
Es ist eine neue Ebene in der militärischen Zusammenarbeit: Dass nun russische Mittelstreckenbomber von einer iranischen Basis aus ihre Angriffe gegen Ziele in Syrien starten, hilft nicht nur Russlands Luftwaffe, Treibstoff und Anflugzeit zu sparen. Dieser Schritt hat auch eine nicht zu unterschätzende symbolische Bedeutung. Moskau und Teheran signalisieren damit: Wir kooperieren noch enger als bisher in Syrien. Und als Nebeneffekt demonstriert die russische Führung vor allem den USA, dass sie ebenfalls in der Region des Nahen und Mittleren Ostens militärisch den Fuß in der Tür hat.
Moskau benutzte schon bisher den Einsatz an der Seite des syrischen Regimes immer wieder als machtpolitische „Truppenschau“: etwa, als russische Schiffe vom Kaspischen Meer aus Marschflugkörper abfeuerten. Angesichts der schwachen Luftabwehr der syrischen Rebellen war der Angriff mit diesen weitreichenden Waffen keine militärische Notwendigkeit. Aber in den USA sorgte es durchaus für Kopfzerbrechen, dass Russland solche Systeme erfolgreich einzusetzen vermag.
Dass Russland nun einen iranischen Luftwaffenstützpunkt benutzt, sollte Washington ebenfalls zu denken geben. Denn bisher war das russisch-iranische Bündnis zur Unterstützung des syrischen Machthabers, Bashar al-Assad, nicht frei von Friktionen. Für seine Syrien-Politik bezahlt der Iran einen hohen Preis – hinsichtlich der Verluste an Soldaten und der finanziellen Kosten. Teheran soll darin schon bis zu 15 Milliarden US-Dollar investiert haben. Im Gegenzug will Irans Führung in Syrien weiterhin als stärkster externer Pro-Assad-Akteur das Heft in der Hand behalten.
Vor allem innerhalb der iranischen Revolutionsgarden wuchsen zuletzt Zweifel an Russlands Absichten. Geschürt wurde diese Skepsis auch dadurch, dass Moskau gemeinsam mit Washington Anfang Mai eine Waffenruhe für Aleppo vereinbart hatte. Denn nur Tage später starben zahlreiche iranische Revolutionsgardisten bei einem Rebellenangriff auf das Dorf Khan Tuman südlich von Aleppo.
Nun scheinen die Unebenheiten im russisch-iranischen Zweckbündnis halbwegs ausgebügelt. Vom Iran aus fliegt Russlands Luftwaffe nicht nur Einsätze gegen Gebiete, die vom sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrolliert werden. Sie nimmt auch Ziele in Idlib und Aleppo ins Visier. Von einer Waffenruhe für Aleppo ist – zumindest von russischer Seite – keine Rede mehr. Moskau und Teheran wollen offenbar Fakten schaffen und den Rebellen endgültig den Ostteil der nordsyrischen Großstadt entreißen. Das würde dem seit fünf Jahren währenden Aufstand gegen Assad einen schweren Rückschlag versetzen.
Riesige Nägel im Sarg der einstigen Bewegung gegen das autoritäre syrische Regime stellen aber auch viele der Gruppen dar, die derzeit Ost-Aleppo verteidigen. Die kampfstarken al-Nusra-Brigaden lassen sich als „Krisenfeuerwehr“ feiern. Denn sie sind die Speerspitze bei den Versuchen der Rebellen, den Belagerungsring des Regimes zu durchbrechen. Dass sich al-Nusra mittlerweile umbenannt und vom al-Qaida-Netzwerk losgesagt hat, ist nur Camouflage – so wie vieles, was sie in der Vergangenheit getan hat. Zwar versuchte sie nie, ihre Ideen gegenüber anderen Rebellengruppen und der Zivilbevölkerung mit derselben Grausamkeit und demselben totalitären Machtverständnis wie der IS umzusetzen. Ihr Ziel liegt aber trotzdem in der Errichtung eines Staates, der nach jihadistisch-salafitischen Kriterien aufgebaut ist. Das teilt al-Nusra im Übrigen mit einigen anderen Rebelleneinheiten, die offiziell eigentlich dem „moderateren Spektrum“ zugerechnet werden.
Je länger das Abschlachten in Syrien andauerte und je brutaler das Regime gegen die Opposition vorging, desto größeren Zulauf erhielten extreme Kräfte aufseiten der Rebellen. Das ist einer der Gründe, warum die Lage heute so verfahren ist, neben den zynischen Machtspielen der externen Player von Saudiarabien über Russland bis hin zum Iran.
Leidtragende sind Syriens Zivilisten, die in Städten wie Aleppo Granatbeschuss und Bombardements ausgesetzt sind – jetzt auch durch Angriffe, die von iranischen Basen aus geflogen werden.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2016)