Arbeit muss jedem zumutbar sein, egal, woher er kommt

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Symbolbild.(c) Clemens Fabry
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Es ist richtig, Sozialleistungen an Bedingungen zu knüpfen. Verpflichtende Jobs wären keine Bürde – weder für Flüchtlinge noch für Inländer.

Sebastian Kurz weiß, wie man Schlagzeilen macht – und wie man Beliebtheit erlangt. Aber er hat sich auch eine treue Gemeinde hartnäckiger Gegner aufgebaut. Ein häufiger Vorwurf an den Außen- und Integrationsminister lautet, er agiere populistisch. Seit Kurz Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge gefordert hat, ist diese Zuschreibung wieder oft und laut zu hören. Populismus hin oder her – in dieser Sache liegt er richtig. Etwa, wenn er sagt: „Wir müssen einsehen, dass wir ein Problem haben.“ Aber auch Kurz' Gegner liegen nicht falsch: Sich nur auf Flüchtlinge zu konzentrieren – das ist zu einfach.

Was stimmt: Seit Monaten stagniert die Arbeitslosigkeit unter Inländern – wenn auch auf hohem Niveau. Aber die allgemeine Arbeitslosigkeit steigt weiter. Das ist auf die Migration zurückzuführen. Viele Flüchtlinge wandern direkt in die Mindestsicherung. Kurz will nun verpflichtende Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge einführen, die arbeitslos sind. Die Verhandlungen in der Regierung sollen demnächst starten, und das ist gut so. Aber warum braucht es eine Flüchtlingskrise, um diese Debatte zu starten?

Kurz hat mit seinem Vorschlag doch eine ganz andere Frage aufgeworfen, die Inländer wie Ausländer gleichermaßen betrifft: Soll jemand, der wenig oder nichts zum Sozialsystem beigetragen hat, dauerhaft von diesem leben? Hat er nicht die Pflicht, der Gesellschaft, die ihn trägt, etwas zurückzugeben? Zumindest dann, wenn der Staat ihn darum bittet?

Der Sozialstaat ist eine verteidigenswerte Errungenschaft, aber er führt mitunter auch zu Verwerfungen. Die grundsätzliche Idee ist, ein Sicherheitsnetz für jene zu spannen, die wirklich nicht können, finanziert von jenen, die können. Diese Idee zu verteidigen bedeutet aber auch, das System vor Missbrauch zu schützen. Auch ohne Flüchtlingskrise hätte Österreich sich sehr bald dieser Realität stellen müssen, denn längst produzieren unsere Schulen auch Abgänger, die direkt ins Sozialsystem wandern. Wie soll ein solches System langfristig funktionieren?

Es ist also durchaus wünschenswert, wenn jetzt die Frage debattiert wird, was den Beziehern der Mindestsicherung zumutbar ist. Die Alternative haben wir uns lang genug angesehen. Und feststellen müssen: Gefährlich wird es, wenn die Idee eines sozialen Sicherheitsnetzes von Anspruchsdenken abgelöst wird. Selbst die Kritik an der „sozialen Hängematte“ greift hier viel zu kurz, denn versagt das System vom Kindergarten an, dann ist die Schuld des Einzelnen nur noch gering.

Wo Kurz dennoch recht hat: Wer die Vorteile der österreichischen Gesellschaft und des Sozialsystems genießen möchte, sollte auch etwas zurückgeben. Manchmal funktioniert das mit Freiwilligkeit. Aber oft braucht es eben auch Druck. Deshalb ist es richtig, Sozialleistungen an Bedingungen wie Arbeitswilligkeit oder (im Fall von Zuwanderern und Flüchtlingen) den Besuch von Deutschkursen zu knüpfen. Genauso hat es Sinn, Verstöße streng zu sanktionieren. Im Vorjahr bezog jeder zehnte Einwohner Wiens Mindestsicherung. Die Zahlen sind alarmierend, auch deshalb, weil sie steigen.

Wer von Sozialleistungen lebt, sollte wissen, dass dies kein dauerhafter Zustand sein kann – ganz einfach, weil ein solches System nicht bezahlbar wäre. Verpflichtende Jobs können eine Erinnerung daran sein und auch dabei helfen, Menschen (wieder) in die Gesellschaft zu integrieren – egal, ob sie gestern zugewandert sind, vor zehn Jahren ihren Job verloren haben oder sogar nie einen hatten.

All diese Argumente für verpflichtende Jobs für Bezieher von Sozialgeld sollen aber auch nicht davon ablenken, dass dies weitere schwerwiegende Folgen haben kann. Der Terminus Ein-Euro-Jobs lässt einige große Fragen offen, die noch geklärt werden müssen. Zum Beispiel: Wie lässt sich verhindern, dass ein zweiter Arbeitsmarkt geschaffen wird? Wie lässt sich verhindern, dass es zu Lohn- und Sozialdumping kommt? Dass also Jobs nicht mehr zu normaler Bezahlung vergeben, sondern stattdessen zum Nulltarif von Mindestsicherungsbeziehern verrichtet werden. Auch hier ist die Regierung noch Antworten schuldig.

E-Mails an:jeannine.binder@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

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