Ausweitung der innenpolitischen Kläffzone

Hans Peter Doskozil
Hans Peter DoskozilGEPA pictures
  • Drucken

Österreichs Außenpolitik wird zum Schlachtfeld, zur Fortsetzung der Innenpolitik mit denselben Hau-drauf-Methoden. Das ist gefährlich. Weder Merkel-Schelte noch Türkei-Bashing nützt dem Land.

Von dem amerikanischen Schriftsteller John Steinbeck („Früchte des Zorns“) stammt das schöne Bonmot, dass ein Diplomat ein Gentleman sei, der zweimal überlege, bevor er nichts sage. Hans Peter Doskozil verkörpert demnach die Antithese eines Diplomaten. Allzu lang dürfte der Verteidigungsminister nicht nachgedacht haben, bevor er der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, via „Kronen Zeitung“ ausrichtete, mit ihrer „Wir schaffen das“-Politik in der Flüchtlingskrise „unverantwortlich“ gehandelt zu haben.

Inhaltlich berührt das harte Urteil einen wahren Kern. Doch Minister sind keine Leitartikler. Es zeugt nicht von außenpolitischer Weitsicht, die Regierungschefin eines nicht unbedeutenden Nachbarlands persönlich anzugreifen. Sogar Ungarns Premier, Viktor Orbán, vermied bei allen Differenzen direkte Attacken auf Merkel. Derlei Untergriffe gehören sich nicht, in keiner Beziehung, schon gar nicht in einer zwischenstaatlichen. Meinungsverschiedenheiten klärt man besser unter vier Augen, nicht per Lautsprecher. Merkel ignorierte denn auch den Zwischenruf. Und Kanzler Christian Kern nahm dem Affront seines Genossen die Spitze, indem er noch vor seinem Treffen mit Merkel (mit einer diplomatischen Notlüge?) in Abrede stellte, dass sie unverantwortlich agiert habe.

Es darf spekuliert werden, warum sich Doskozil so knapp vor Kerns Stelldichein auf Schloss Meseberg abschätzig über Merkel geäußert hat. Trug er einfach sein Herz auf der Zunge? Sah er nur die Schlagzeile? Oder wollte er seinen Parteichef desavouieren? Fest steht, dass die österreichische Außenpolitik zum Schlachtfeld geworden ist, zur Fortsetzung der Innenpolitik mit denselben Hau-drauf-Mitteln. Dafür gibt es handfeste Gründe: Erstens haben internationale Themen Konjunktur. Zweitens strebt der Außenminister nach Höherem. Drittens will ihm die Konkurrenz deswegen nicht das außenpolitische Feld überlassen. Und viertens wollen SPÖ und ÖVP der in Umfragen davoneilenden FPÖ das Wasser abgraben.

Deshalb entbrannte auch ein Wettlauf zwischen den Koalitionsparteien, wer sich in der Flüchtlingskrise und gegenüber der Türkei härter verhält. Nach dem Putschversuch in Ankara und den darauffolgenden Repressionen preschte zunächst Kern vor, indem er den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen forderte. Nun legten VP-Vizekanzler Mitterlehner und Kurz ein Papier nach, in dem sie die Türkei als nicht beitrittsfähig bezeichnen und stattdessen eine europäisch-türkische Interessenunion vorschlagen. Das kommt ausgefeilter daher und ist auch realistisch, richtet sich aber ebenfalls vorwiegend an das heimische Publikum. Denn für eine Suspendierung der Beitrittsgespräche brauchte Österreich eine Mehrheit im EU-Rat, für einen Abbruch gar Einstimmigkeit. Und da wäre es klüger, diskret Verbündete zu suchen, als gleich das Megafon einzuschalten.

Doch um die Sache geht es den Herren gar nicht zuallererst. Sie wollen innenpolitische Pünktchen sammeln. Außenpolitik eignet sich dafür nur beschränkt. Denn da stehen Beziehungen zu anderen Staaten auf dem Spiel. Das kann ernst werden und erfordert deshalb – wie nannte es Doskozil? – besonders verantwortliches Handeln.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.