TTIP wäre gut für Europa und gut für Österreich

A man looks at Greenpeace activists displaying a banner against TTIP free trade agreement while suspended on one of the Kio towers in Madrid
A man looks at Greenpeace activists displaying a banner against TTIP free trade agreement while suspended on one of the Kio towers in Madrid(c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Bei kaum einem Thema sind sich die Österreicher so einig wie in der Ablehnung des Freihandelsabkommens. Mehr Ratio und weniger Angst täten hierbei gut.

Ich bin für das Freihandelsabkommen TTIP.“ Es gibt wohl nur wenige Sätze, mit denen man sich hierzulande so schnell unbeliebt machen kann wie diesen. Egal, ob Grillparty oder politische Diskussion. Wer offen für TTIP eintritt, dem werden sofort Begriffe wie Chlorhuhn, Hormonfleisch oder die Macht der Konzerne um die Ohren geschlagen. Und auch wenn zurzeit Politiker in Deutschland und Frankreich mit negativen Aussagen zu dem Abkommen auffallen, ist die Ablehnung hierzulande immer noch am ausgeprägtesten. Sie ist so stark, dass sogar ein Volkswirtschaftsprofessor sofort den Mut verlieren muss, zum Freihandel zu stehen, wenn er um das höchste Amt im Staat rittert.

Dabei sind der erleichterte Warenverkehr und somit auch das Abkommen mit den USA grundsätzlich zu begrüßen. Denn eines ist unbestritten: TTIP wird mehr Wachstum und somit auch mehr Jobs und mehr Kaufkraft für die Bevölkerung auf beiden Seiten des Atlantiks bringen. Ob dieser Effekt das knappe Prozent für Österreich beträgt, das die Modellrechnung der EU-Kommission ergab, sei dahingestellt. Dass es ihn gibt, bestreiten aber nicht einmal die TTIP-Gegner wie etwa Greenpeace. Die NGO legte zusammen mit Spar im Vorjahr eine Studie vor, wonach die heimische Volkswirtschaft durch TTIP positive Wertschöpfungseffekte im Ausmaß von mehreren Hundert Millionen Euro hätte.

Für Ökonomen ist das kein überraschender Befund, wurden doch schon vor gut 200 Jahren die theoretischen Grundlagen dafür erklärt (einfach nach David Ricardo googeln). Es bedeutet aber natürlich auch, dass sich die günstigeren Produktionsbedingungen durchsetzen. Und das bringt vor allem in jenem Bereich Druck, auf dem die Ablehnung aufbaut – der Landwirtschaft. Den meisten Menschen wäre TTIP wohl egal, wenn es dabei nur um Stahlrollen oder Maschinenteile ginge. Es ist aber die Angst vor den bereits erwähnten Chlorhühnern und dem Hormonfleisch, die für die ungewöhnliche Ablehnungsallianz aus Supermarktketten und Umweltschutzorganisationen sorgt.

Und ja, die TTIP-Gegner haben in diesem Punkt auch recht: Es ist wichtig, dass europäische Standards bei der Lebensmittelsicherheit nicht aufgeweicht werden. Das hat die EU aber auch von Anfang an als ihre Position klargemacht. Allerdings führte die unsägliche Geheimhaltung bei den Verhandlungen dazu, dass TTIP-Gegner aus geleakten Verhandlungspapieren US-Positionen als mögliches Endergebnis darstellen konnten.

Man darf sich jedoch zwei Illusionen nicht hingeben. Erstens führt auch in Europa die Massentierhaltung zum Einsatz von Antibiotika und einem Umgang mit den Tieren, der nicht dem Bild aus der TV-Werbung entspricht. Zweitens haben die heimischen Bauern aufgrund ihrer Kleinstrukturiertheit auch bei gleichbleibenden Standards Probleme mit der Konkurrenz aus Deutschland oder Frankreich. Und natürlich ist eine Farm mit Tausenden Rindern in Wisconsin noch wesentlich produktiver.


Reicht dieser höhere wirtschaftliche Druck auf eine Branche, die knapp zwei Prozent zum heimischen BIP beiträgt, aber aus, um TTIP in Summe als Teufelszeug zu brandmarken? Die Antwort darauf muss ein klares Nein sein. Daran ändert auch der zweite, oft vorgebrachte Kritikpunkt – die Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen Staaten verklagen können – nichts. Schon heute gibt es solche Gerichte. Und hier sollte man sich konkrete Beispiele ansehen. So kündigten etwa im Vorjahr heimische Banken Klagen gegen Kroatien an. Was war der Grund? Im Wahlkampf beschloss die Regierung ein Gesetz, wonach Kreditverträge Tausender Kroaten auf Kosten der Banken rückabgewickelt wurden. Eine populistische Aktion, um die Wahl zu gewinnen. Hier muss es auch für Firmen die Möglichkeit geben, sich zu wehren.

Ob TTIP je kommen wird, steht in den Sternen. Auch in den USA wachsen die Widerstände. Es ist aber sinnvoll, dafür zu kämpfen. TTIP würde nicht nur wichtige ökonomische Impulse bringen, sondern könnte auch globale Standards setzen. Klinkt sich Europa leichtfertig aus, könnten diese Standards dereinst in einem Abkommen zwischen den USA und China gesetzt werden. Und das kann wirklich niemand in Europa wollen.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)

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