Republik Banane

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Wenn wir nicht einmal mehr in der Lage sind, eine Wahl abzuhalten, sollten wir vielleicht die politische Sachwalterschaft durch die OSZE oder UNO beantragen.

Regierungsmitglieder und Spitzenmanager philosophieren dieser Tage – zu Recht – darüber, wie wichtig es sei, Start-ups zu fördern, uns auf die Industrie 4.0 vorzubereiten und wegen der Digitalisierung der Welt auf einen massiven Prozess der Veränderung, Entschuldigung: auf einen Change-Prozess einzulassen.

Währenddessen scheitert Österreich daran zu wählen. Es gelingt der Bundeswahlbehörde und dem Innenressort nicht einmal mehr, Kuverts produzieren zu lassen (und zu prüfen!!), die man so zukleben kann, dass sie nicht wieder aufgehen. „Technische Unzulänglichkeiten“ nennt dies der zuständige Innenminister, Wolfgang Sobotka, und entschuldigt sich. Das ist für einen Minister in Österreich zwar bemerkenswert, wird aber nicht ausreichen, um das Desaster aus der Welt zu schaffen.

Das ist eine unfassbare Blamage für das Ressort, die Regierung, die Politik, das ganze Land. Jenseits aller Klischeevorstellungen über Österreich war da immer ein Rest an Vertrauen, wonach unsere Verwaltung möglicherweise nicht die modernste, günstigste und bürgernächste der Welt sei, aber dass sie funktioniere. Das scheint nicht der Fall zu sein. An dieser Stelle sei noch einmal an die Häme österreichischer Kommentatoren erinnert, als bei der US-Präsidentenwahl im Bundesstaat Florida zwischen George W. Bush und Al Gore antiquierte Lochmaschinen zum Einsatz gekommen sind, wodurch die Auszählung zum Fiasko geraten ist. (Der US-Supreme Court erklärte übrigens Bush zum Sieger, und fast alle Amerikaner – zum Teil zeitverzögert – akzeptierten das. Das nur so nebenbei.)

Um die Umbenennung Österreichs in Schilda noch zu verhindern, gibt es nur noch wenige Möglichkeiten: Die Wahl muss verschoben werden – was rechtlich komplex, aber möglich ist. Und dann muss eine verbindliche Festlegung von beiden Kandidaten her: Sowohl Alexander Van der Bellen als auch Norbert Hofer müssen sich offiziell verpflichten, bei Bagatellfehlern und -pannen die Wahl nicht anzufechten. Für Weltverschwörer um Herbert Kickl mag das ein schwerer Schlag sein, aber es reicht wirklich. Wir hätten da ein paar Probleme anzugehen, die wichtiger als die Frage sind, ob ein pensionierter Wirtschaftsprofessor und Altgrüner oder ein Ingenieur und FPÖ-Funktionär in der Hofburg lächelt. Und ganz ehrlich, so problematisch anlassbezogene Veränderungen von Gesetzen und der Verfassung sein mögen, die vergangenen Wochen haben bewiesen: Es geht auch ohne Bundespräsidenten, die Nationratspräsidenten können, wie gerade demonstriert, den Job mitübernehmen, oder Regierungsmitlieder wechseln sich nach Schweizer Vorbild in der Funktion ab. Oder wir folgen Deutschland und geben die Wahl an das Parlament, den Nationalrat plus den unterbeschäftigten Bundesrat, weiter. Zugegeben: Die Kuhhandelspielchen um den Rechnungshof und den ORF zuletzt lassen Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Variante aufkommen. Wir haben leider nicht die Qualität des deutschen Bundestags im Parlament.

Andere Konsequenzen dieses Wahlkartenskandals – dieser Begriff passt einmal: Wir müssen das bestehende Wahlkartensystem diskutieren. Etwa, ob Wähler, die entweder krank oder im Ausland sind, per Brief wählen dürfen. Oder: Wer sich in Österreich, aber nicht in seinem Wahlsprengel aufhält, soll auch in jeder Gemeinde an der Urne wählen dürfen – auch ohne Wahlkarte. Dass die Elektronik noch nicht Einzug gehalten hat, ist mehr als sonderbar. (Aber mit Blick auf den Dilettantismus auch wieder beruhigend.) Wenn Hofer nun die Briefwahl ganz abschaffen will, merkt man die Absicht und ist mehr als verstimmt: Erst mit den Briefwahlstimmen lag Van der Bellen bei der aufgehobenen Stichwahl auf Platz eins. So billig geht es nicht in die Hofburg.

Und: Das Innenministerium, also der tollpatschige Großvater Staat, wird die Kosten durch die Verschiebung und Verlängerung des Wahlkampfs von beiden Kandidaten übernehmen müssen – den Regress kann er sich beim Wahlkartenhersteller holen. Das einzig Gute: Wir haben eine kleine Pause vom Wahlkampf zwischen dem in der Landmensch-Rolle nicht sehr glaubwürdigen Van der Bellen und dem in der Milder-Staatsmann-Rolle unglaubwürdigen Hofer.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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