Wladimir Putin, Sonnengott der europäischen Populisten

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Russlands Präsident lebt den Traum der Scharfmacher im Westen. Er agiert, wie sie es nicht können: ohne jemals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Kaum ein Tag verging in letzter Zeit ohne Liebeserklärungen internationaler Politiker an Wladimir Putin. Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat, Donald Trump, erklärte, Putin sei ein starker Führer – „viel stärker als unser Präsident“. Dass österreichische Rechtspopulisten, der ungarische Nachwuchsautokrat Viktor Orbán und die französische Präsidentschaftsanwärterin Marine Le Pen offene Bewunderer des russischen Präsidenten sind, ist bekannt. Und auch in Deutschland vertrauen die Anhänger der AfD Putin mehr als Kanzlerin Angela Merkel, wie eine Umfrage der „Zeit“ zeigte.

Es ist eine mehrheitlich rechte Allianz, die im Westen Putin zujubelt, der sich gestern bei den Duma-Wahlen für die nächsten fünf Jahre ein willfähriges Parlament gesichert hat. Doch es gibt auch genügend Linke, die mit dem russischen Autokraten einen Gegenpol zur US-Dominanz in der Weltpolitik ersehnen. Der russisch-deutsche Publizist Boris Schumatzky nennt Putin treffend den „gemeinsamen Freund, den Schutzpatron gegen das Böse, die USA und die Nato“. Träfen im Kreml Glückwunschtelegramme aus Westeuropas Hauptstädten angesichts des Wahlerfolgs ein, es würde nicht weiter verwundern. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Putin eine Galionsfigur der selbst ernannten Anti-Establishment-Politiker ist, obwohl er und seine Gefolgschaft in Russland das absolute Establishment verkörpern: In den Händen des Präsidenten ist die Macht konzentriert, seine Gefolgschaft bereichert sich am Staat, und die Kontrollfunktion von Institutionen wie dem Parlament ist beschnitten.

Die Wahlen zur Staatsduma am Sonntag waren die ersten nach der Niederschlagung der demokratischen Protestwelle von 2011, die erst durch die Verstöße gegen das Wahlgesetz bei dem vergangenen Duma-Urnengang ausgelöst wurden. Die jetzige Duma-Wahl war auch die erste nach der Annexion der Krim und der darauffolgenden Verhängung der EU-Sanktionen. Eigentlich gibt es nicht viel, um das man die Russen beneiden müsste. Selbst die Hobbyökonomen der populistischen Allianz müssten das zur Kenntnis nehmen: Russlands wirtschaftliche Situation lässt zu wünschen übrig, das Budget ist aufgrund des gesunkenen Ölpreises geschrumpft. Notwendige Strukturreformen wurden in den vergangenen Jahren nicht angegangen. Selbst wenn die Partei Einiges Russland im Wahlkampf auf Themen wie soziale Sicherheit setzte und den Stammwählern Dotationen versprach, sind diese Ankündigungen in den nächsten Jahren immer schwerer zu erfüllen. Der Staat braucht dringend Einnahmen, die er sich nur noch bei der eigenen Bevölkerung holen kann. Dass die Haushaltskasse knapper wird, spürt jeder Russe heute schon am eigenen Leib. Im Inneren sichert die Mischung aus repressiven Gesetzen und der ideologisch überhöhten Frontstellung zum Westen, dass es zu keiner öffentlichen Meinungsäußerung der Bürger kommt.

Warum aber ist dann der Präsident, der seinem Land internationale Isolation gebracht hat, der Sonnengott der europäischen und anderer Populisten? Wladimir Putin ist für Europas Scharfmacher nicht nur wegen seiner patriotischen und neoimperialen Rhetorik und der simplen Feindbilder, die er vertritt, attraktiv. Seine Anziehung erklärt sich auch daraus, dass er tun kann, was seinen Anhängern im Westen versagt ist: Er muss keine Verantwortung für seine Taten übernehmen. Während Politiker in Europa von Wählern abgestraft werden, kann er den Bürgern ungestraft ins Gesicht lügen. Während Europas Populisten, sobald sie an der Macht sind, für gewöhnlich daran scheitern, ihre Politik der Destruktion in konstruktives Regieren umzuwandeln, sie plötzlich Lösungen bringen müssen, die sie aus Prinzip nicht haben, ist der russische Präsident frei von den Zwängen demokratisch legitimierter Politik. Er ist in der komfortablen Lage, beinahe alles tun zu können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Es ist diese organisierte Verantwortungslosigkeit des Putin'schen Systems, von der westliche Populisten (glücklicherweise) nur träumen können.

E-Mails an:jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

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