Warum nicht gleich Freundeskreise im VfGH?

Johannes Schnizer
Johannes SchnizerDie Presse/Fabian Hainzl
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Verfassungsrichter, die über ihr Wahlverhalten plaudern, Präsidentschaftskandidaten, die zeigen wollen, „was alles möglich ist“: Da ist etwas faul im Staate Österreich.

Verfassungsrichter Johannes Schnizer hatte nun also jene 15 Minuten Ruhm, die jedem österreichischen Würdenträger zustehen. Vernünftig und klug argumentierte er in der Öffentlichkeit, warum der Gerichtshof mit der Aufhebung der Wahl Alexander Van der Bellens zum Präsidenten strikt bei seiner über Jahrzehnte praktizierten Rechtsprechung geblieben war und keine Ausnahme für einen netten alten Herrn machen konnte.

Genau das verstehen nämlich viele Anhänger Van der Bellens, darunter sogar namhafte Juristen und Journalisten, nicht: Ein paar Schlampereien können doch ernsthaft nicht Norbert Hofer im zweiten beziehungsweise dritten Durchgang in die Hofburg bringen! Heiligt der politische Zweck nicht die juristische Großzügigkeit? Nein, meint Schnizer, der de facto von der SPÖ in den obersten Gerichtshof entsandt wurde. Leider stoppte er an dieser Stelle nicht, sondern unterstellte der FPÖ, die Wahlanfechtung von langer Hand geplant zu haben und bei den diversen unschönen Szenen im Wahllokal und bei der Stimmenauszählung quasi mit wissendem Lächeln weggeschaut zu haben. Juristen wissen normalerweise, dass man bei schwerwiegenden Anschuldigungen etwas ganz Entscheidendes braucht: einen Beweis. Dass die Freiheitlichen schon immer Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl auf Kosten der eigenen Kandidaten vermuteten, ist aber kein solcher, sondern nur ein Indiz.

Zum Drüberstreuen erzählte Schnizer noch, er wähle Van der Bellen. Und verstieß damit gegen eine gute, alte Spielregel in Österreich: Ein oberster Richter bemüht sich um Parteiunabhängigkeit. Auch wenn er wie fast jeder, der in den vergangenen Jahrzehnten ein öffentliches Amt übernahm, natürlich ein Parteibuch hat. Sein Parteifreund, SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda, sprang Schnizer zur Seite und spricht plötzlich von Transparenz. Die will er erreichen, indem das Abstimmungsverhalten des VfGH öffentlich werden sollte, so es keine Einstimmigkeit (Dissenting Opinions) gibt.

Das ist witzig: Damit können die Parteisekretäre von Rot und Schwarz gleich sehen, wie „ihre“ Richter abgestimmt haben. Wie großartig diese Transparenz ist, sieht man im ORF-Stiftungsrat mit den roten und schwarzen Freundeskreisen, die bekanntlich nie nach Parteiräson abstimmen. Aber die Renaissance der Partei und der dazugehörigen Machtpolitik scheinen das deklarierte Ziel des Teams Kern zu sein. Übrigens: Wenn wir wirklich mehr Transparenz wollen (und aushalten), dann orientieren wir uns bitte an skandinavischen Ländern: Weg mit Amtsgeheimnis und Verschwiegenheit, her mit der gläsernen Steuerliste aller Bürger.


Es reicht jetzt wieder! Nein, bevor wir neue Gesetze und Regeln aus dem Affekt beschließen, wäre es kurz angebracht zu klären, ob die alten Spielregeln unserer Politik und damit auch der Gesellschaft so schlecht sind und warum sie plötzlich nicht mehr eingehalten werden.

Der Präsidentschaftswahlkampf brachte den ersten Bruch: Norbert Hofer schwadronierte über seine präsidialen Machtbefugnisse und drohte uns, „was alles möglich“ sei. Alexander Van der Bellen ließ nur wenige Stunden nach seinem Kurzzeit-Wahlsieg vergehen, um einem deutschen Kamerateam zu verraten, dass er auch im Fall eines FPÖ-Wahlsiegs den Wählerwillen nicht anerkennen müsse und eine FPÖ-Regierung auch nicht angeloben könne. Beides ist falsch, der Präsident soll mahnen und sich sorgen, aber nicht regieren.

An dieser Stelle eine eindringliche Bitte für mehr Gelassenheit, weniger Hysterie und mehr Sachlichkeit im Land: Verehrte Verfassungsrichter, liebe Präsidentschaftskandidaten, es reicht jetzt wieder. Bitte benehmen Sie sich so, wie es sich für (angehende) Staatsdiener geziemt. Also zurückhaltend, präzise und vorsichtig in der Wortwahl und so lange nach den Spielregeln, bis die Mehrheit der Wähler diese ändert.

Dafür bezahlen wir Sie nämlich, Sie arbeiten für uns.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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