Trumps Werk und Putins Beitrag

J.S. Burgers Cafe chef Yasuhito Fukui prepares Mr. and Mrs. Burger featuring the U.S. presidential candidates Hillary Clinton and Donald Trump at the hamburger joint in Tokyo
J.S. Burgers Cafe chef Yasuhito Fukui prepares Mr. and Mrs. Burger featuring the U.S. presidential candidates Hillary Clinton and Donald Trump at the hamburger joint in TokyoREUTERS
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In Syrien entscheidet sich die neue Weltordnung. Trotzdem spielt der Krieg im US-Präsidentschaftswahlkampf keine Rolle. Das ist erschreckend niveaulos für eine Supermacht wie die USA.

Die Welt ist aus den Fugen, und die USA belästigen die Menschheit seit Monaten mit einem Wahlschaukampf, der alle bisherigen Grenzen der Banalität unterschreitet. Jedes Mal, wenn man glaubt, es geht nicht mehr tiefer, schafft es Donald Trump noch einmal, das Niveau zu senken. Und die Archivare und Schmutzkübelbrigade seiner Gegnerin Hillary Clinton helfen dabei gern nach. Jetzt tauchte ein Video von 2005 auf, in dem Trump prahlt, wildfremden Frauen nach Lust und Laune zwischen die Beine grapschen zu können. „Wenn du ein Star bist, lassen sie es zu.“ Einfach widerwärtig, einfach Trump.

Vielleicht dämmert nun endgültig der Mehrheit der Amerikaner, dass dieser Mann weder die charakterlichen noch die intellektuellen Fähigkeiten für das höchste Amt im Staat mitbringt. Vielleicht aber auch nicht.

Fest steht jedenfalls, dass in unruhigen Zeiten wie diesen eine professionell geführte Supermacht nötiger denn je wäre. Doch die Weltkrisen von der Ukraine bis Syrien spielen in diesem erbärmlichen Dauerwahlkampf nicht einmal am Rand eine Rolle, stattdessen: Sex, Lügen, Videos und tumbe Sager. In US-Präsidentschaftsrennen wurde schon immer hart gekämpft, auch unter der Gürtellinie. Doch wenn eine Gesellschaft in medial aufgeheizter Wrestling-Atmosphäre gar nicht mehr in der Lage ist, wesentliche Fragen ernsthaft zu debattieren, ist das schon ein Verfallszeichen, vor allem, wenn es sich dabei um eine Weltmacht handelt.

Unangefochtene Ordnungsmacht sind die USA bereits länger nicht mehr. US-Präsident George W. Bush verspielte den unilateralen Moment im Irak-Krieg. Sein Nachfolger Barack Obama blies zum Rückzug. Ein Vakuum entstand, Russland und Regionalmächte wie der Iran und Saudiarabien stießen hinein. Präsident Putin roch die Schwäche der Amerikaner und schaltete auf Konfrontation, weil er ahnte, dass Obama ausweichen und keinen harten militärischen Widerstand leisten werde.

Aus russischer Sicht entscheidet sich die neue Weltordnung in Syrien. Und Putin will die Übergangszeit vor dem Amtsantritt des neuen US-Staatsoberhaupts nützen, um mit aller Gewalt Fakten in seinem und im Sinn seines Schützlings in Damaskus, Bashar al-Assad, zu schaffen. Es war eine Illusion zu glauben, dass Moskau je Assad fallen lassen könnte. Russland will seine Interessen in Syrien wahren, und dafür hat es keinen anderen Verbündeten als Assad. Wenn er geht, bricht das ganze Clansystem zusammen und Putin steht mit leeren Händen in der syrischen Ruinenlandschaft da.


Misstrauen. Gleichzeitig wissen auch die Russen, dass es keine militärische Lösung in Syrien gibt, weil keine Seite gewinnen kann. Den Amerikanern riss angesichts des Dauerbombardements auf Aleppo die Geduld, doch sie werden an den Verhandlungstisch mit Russland zurückkehren. Denn letztlich bleibt in einem Stellvertreterkrieg, in dem einander ethnisch-religiöse Gruppen sowie Regional- und Supermächte erbittert gegenüberstehen, keine andere Wahl, wenn ein Weltenbrand verhindert werden soll.

Noch suchen Russland und die USA nach Feldern der Kooperation. Gemeinsam unterschrieben sie das Atomabkommen mit dem Iran, gemeinsam kürten sie zuletzt Antonió Guterres zum UN-Generalsekretär. Sie haben auch überschneidende Interessen in Syrien: Beide wollen den Zerfall des Staates verhindern, beide betrachten die Terrormiliz IS als Feind. Daraus ließe sich bei gutem Willen ein Stabilitätspakt für Syrien schmieden. Wahrscheinlicher jedoch bleibt, dass der unüberschaubare Krieg angesichts der vielen Akteure noch Jahre weitertobt. Und damit steigt das Risiko, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät. Denn das Misstrauen zwischen Russland und den USA wächst.

Wenn Clinton die Wahl gewänne, begänne das gefährliche Spiel von vorn. Denn sie schlüge einen härteren Kurs in Syrien ein. Wenigstens der Kreml hat also rationale Gründe, Trump zu unterstützen, womöglich mit Hackerangriffen auf US-Demokraten.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2016)

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