Hoffentlich ist das das politische Ende eines Rassisten und Sexisten

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Donald Trumps Chancen auf die US-Präsidentschaft sind dahin. Es sei denn, es gibt auch bei Hillary Clinton noch eine unangenehme October Surprise.

Ganze Armeen von Politikberatern und Strategen in den USA zittern vor ihr: der October Surprise, einer überraschenden Entwicklung nur wenige Wochen vor der traditionell Anfang November stattfindenden Präsidentschaftswahl, die einen Kandidaten vernichten kann.

Im Oktober 2000 war es beispielsweise eine Festnahme wegen Trunkenheit am Steuer, die plötzlich das biedere Bild des wiedergeborenen Christen und geläuterten Alkoholikers George W. Bush zerstörte. Dass er dennoch zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, hatte er nicht nur seinem wenig charismatischen und unglücklich agierenden Herausforderer, Al Gore, zu verdanken, der nicht einmal seinen Heimatstaat Tennessee gewinnen konnte (was ihm zum Sieg gereicht hätte), sondern vor allem dem US-Höchstgericht, das eine genaue Nachzählung der Wählerstimmen in Florida verhindert hat (und damit weitaus weniger Skrupel bei fraglichen Wahlvorgängen zeigte als das österreichische Verfassungsgericht).

Oder 1980, als der damalige demokratische Amtsinhaber Jimmy Carter vergeblich auf die Freilassung der amerikanischen Geiseln im Iran wenige Tage vor dem Wahltermin hoffte, die ihm vermutlich seine Wiederwahl gesichert hätte. Dass Teheran damit zuwartete, bis der erfolgreiche republikanische Herausforderer Ronald Reagan als Präsident angelobt wurde, gab Anlass für viele Verschwörungstheorien.

Aber wenn spätere Generationen von Politikstudenten jemals ein Paradebeispiel für eine October Surprise suchen, seit diesem Wochenende gibt es eines: Die lüsternen und abschätzigen Bemerkungen, die Donald Trump über Frauen gemacht hat, haben seine Kandidatur zerstört. Wenn er bisher – wider jede Vernunft – reale Chancen auf die Präsidentschaft hatte, mit diesen Aussagen sind sie dahin.

Reihenweise wenden sich republikanische Politiker von ihrem Kandidaten ab, den sie schon bisher nur aus reiner Parteiloyalität mit zugehaltener Nase unterstützt haben: Senator John McCain etwa, die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice, John Kasich, Gouverneur des wichtigen Swing State Ohio – alles politische Schwergewichte, deren öffentliche Distanzierung Vorbildwirkung hat.

Bemerkenswert ist nur, dass sich Trump mit seinen rassistischen und sexistischen Bemerkungen überhaupt so lang halten konnte. Als er etwa im Juli 2015 mexikanische Einwanderer als Kriminelle und Vergewaltiger bezeichnete, als er sich über einen behinderten Reporter lustig machte, als er „weitaus schlimmere“ Foltermethoden als Waterboarding versprach und als er sich bereitwillig vom früheren Ku-Klux-Klan-Führer David Duke unterstützen ließ.


Alles sahen ihm seine Anhänger nach, weil sie genug haben vom politischen Establishment. Nur deshalb funktioniert ein Kandidat wie Trump. Hier ist jemand, der sich um keine Konventionen schert und öffentlich ausspricht, worüber man normalerweise nur heimlich mit engen Freunden beim Barbecue spricht. Plötzlich muss man sich nicht mehr schämen für die eigenen Vorurteile, plötzlich sind die Gegenstand der politischen Diskussion.

Wäre nicht Hillary Clinton die demokratische Gegenkandidatin, Donald Trump wäre schon längst kein ernst zu nehmender Anwärter mehr auf das Präsidentenamt. Clinton aber polarisiert wie kein anderer Politiker in der jüngeren Geschichte der USA: Entweder man liebt sie – wie an der Ost- und Westküste – oder man hasst sie, wie im Heartland der USA. Neutral steht ihr kaum jemand gegenüber. Deshalb ist es für sie auch schwer, Wähler zu überzeugen, weil es kaum jemanden gibt, der sich im Lauf ihrer Jahrzehnte in der Politik nicht schon eine Meinung gebildet hat.

Außerdem ist Hillary Clinton selbst eine Kandidatin für eine October Surprise. Wer das Buch „Clinton Cash“ von Peter Schweizer gelesen hat, kennt die tickenden Zeitbomben in ihrer Vergangenheit – und wer weiß, was sich noch alles in den Zehntausenden gehackten E-Mails findet. Die Frage wird lediglich sein, ob diese möglichen Enthüllungen schwerer wiegen als die widerwärtigen Aussagen von Donald Trump.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2016)

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