Die Grüne Alternative ist noch keine Option

APA/HERBERT NEUBAUER
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30 Jahre nach dem Einzug ins Parlament könnten die Grünen zwar den Präsidenten stellen. In die Regierung bringt sie das aber noch lang nicht.

Wenn der Name Programm ist, ist das Programm gescheitert. Seit Beginn wollen die Grünen „Die Grüne Alternative“ sein. 30 Jahre später aber denkt, wer Wende sagt und das Ende von Rot-Schwarz meint, nicht an Grün, sondern realistischerweise an Blau.

Dabei könnte man streiten, ob FPÖ oder Grüne das Land in den drei Dekaden mehr geprägt haben. Beim grünen Festakt heute, Montag, wird viel über grünen Einfluss geredet werden. Zu Recht. Ökologie, Gleichberechtigung, Transparenz – die Grünen haben Politik und Alltag verändert. Heute will jeder Diskonter bio sein. Eine Leistung, aber auch ein Dilemma: Denn wenn alle irgendwie grün sind, wer sind dann die Grünen?

Keine leichte Frage, denn die grüne Kulturmacht hat sich nie zu einem politischen Gegengewicht verdichtet, das für sich allein (be)steht. Vielmehr stellt man sich die Grünen als Ergänzung vor, als pädagogischen Einfluss für andere Parteien. Immerhin war/ist das – nicht nur in Österreich – ihre Paraderolle: Wir, die Mahner. Wir, die es besser wissen. Eine Imagekorrektur ist da schwierig. Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, versuchte es mit einem Appell in der „Zeit“: „Schluss mit dem Moralisieren.“ Gut gemeint, aber wenn man extra erklären muss, dass es für die Grünen okay ist, wenn die meisten die klassische Ehe als Lebensform bevorzugen, und dass „die neuen Freiheiten in der Lebensgestaltung ein Angebot und keine Vorgabe sind“ , ist etwas schiefgelaufen.

Grüne stehen auch im Verdacht der Harmlosigkeit. Wenn Leute Grün wählen, tun sie das – zumindest hört man das oft –, weil es „ungefährlich“ ist. Grüne wirken wie ihre Feel-good-Plakate – also nicht so, als würden sie groß etwas verändern wollen. Sogar dann, wenn sie es wirklich wollen. Gegen TTIP oder Ceta waren sie quasi immer schon. Aber als das Thema heiß wurde, schnappte es sich Kern.

Das soll kein Plädoyer für die Rückkehr des grünen Aktionismus sein. Gerade der Erfolg von Alexander Van der Bellen oder Irmgard Griss zeigt eine Sehnsucht nach sachlicher Politik, die ohne großkoalitionären Klientelballast auskommt. Tatsächlich ist das einer der Vorzüge der Grünen, den ihre Koalitionspartner in den Bundesländern bestätigen können: keine jammernden Bünde, Pensionisten oder Bauern. Höchstens ein paar Radfahrer.

Dafür gibt es bei den Grünen etwas anderes reichlich: Angst. Vor Applaus von den Falschen, vor Kritik von den Richtigen. VdB hat sich früher um so etwas nicht viel geschert. Es ist nicht ohne Ironie, dass gerade sein Dauerwahlkampf die Partei ins „Nur keine Fehler“-Schweigen sinken lässt. Wobei die Grünen im Auslassen von Heiklem ja geübt sind. Grüne, die es dank Herkunft besser wissen, klagen, dass ihre Kollegen etwa von Integrationsproblemen nicht gern hören. Realismus ist auch so ein -ismus, der den Grünen manchmal peinlich ist.

Insofern hat Peter Pilz recht, wenn er mehr Tachelesreden einfordert. Womit er weniger recht hat, ist die Linkspopulismusforderung. Strategisch bringt es den Grünen wenig, viel über Mindestsicherung zu reden. Denn die Leute, für die sie Politik machen wollen, wählen sie nicht. Diese verorten die Grünen vielmehr dort, wo sie auch Norbert Hofer sieht: drüben bei der „Hautevolee“. Zumindest in der Blase der Gleichgesinnten.

Doch da drinnen gewinnt man keinen Nationalratswahlkampf. In diesem werden die Grünen wohl auf die „FPÖ-Bollwerk“-Karte setzen. Doch was für VdB funktioniert, wird für Eva Glawischnig nicht reichen. Im Dreikampf Strache–Kern–Kurz wird sie kaum vorkommen. Umso schlauer wäre es, ins bürgerliche Lager zu blicken. Denn dass Glawischnig und Kurz so gar nicht kompatibel sind und Schwarz-Grün nicht nur rechnerisch weit weg ist, kann auch von Vorteil sein: Jene, denen die Kurz-ÖVP etwa in der Flüchtlingsfrage zu zackig ist, wären für die Grünen ansprechbar.

Letztlich aber hilft wohl alles nichts. Es wird fürs Regieren kaum reichen, außer SPÖ und ÖVP haben einander doch nicht so satt und holen die Grünen an Bord. Bis die Grünen ihrem Namenszusatz gerecht werden, müssen sie weiter warten. Vielleicht zum 40er dann.

E-Mails an:ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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