Ein bürokratisches Monster namens Gewerbeordnung

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Österreich braucht mehr Unternehmer. Eine Gewerbeordnung, die das behindert, gehört radikal reformiert, nicht nur kosmetisch aufgeputzt.

Ein Hotelier, der in seinem Haus auch noch eine Bar und ein Restaurant betreibt, seine Gäste vom Bahnhof abholt und für diese auch noch Ausflüge auf die Alm organisiert, braucht dafür, wenn er korrekt handelt, fünf Gewerbescheine. Und zahlt, ganz nebenbei bemerkt, fünfmal Kammergrundumlage. Nur eine von vielen Skurrilitäten, für die die heimische Gewerbeordnung steht. Stundenlang kann man sich mit schrägen Geschichten aus diesem Bereich unterhalten.

Jungunternehmer finden das allerdings selten witzig. Für sie ist die Gewerbeordnung in der Regel eine hohe, dem mittelalterlichen Zünftesystem nachgebaute Eintrittshürde ins Unternehmertum. Eine, die im beginnenden 21. Jahrhundert reichlich anachronistisch wirkt. Und die ziemlich radikal reformiert gehört. Schließlich stammt sie in den Grundzügen aus dem Jahr 1859.

Allerdings würde man dem damals gerade 29-jährigen Franz Joseph I. bitteres Unrecht tun, sie deshalb als verzopft zu bezeichnen. Die Urfassung war nämlich ziemlich modern und kannte lediglich 14 konzessionierte Gewerbe, der Rest war frei zugängliches Unternehmertum. In der Zwischenzeit sind es 80. Und die Gewerbeordnung mutierte in 157Jahren zu einem in 382 Paragrafen gegossenen bürokratischen Monster.

Natürlich ist das seit vielen Jahrzehnten ein politisches Thema. Vor allem für Sonntagsreden. In der Praxis hat das heiße Eisen aber niemand wirklich angegriffen, zumal sich Reformer schnell mächtige Gegner einhandeln. Schließlich stehen die Sozialpartner in Gestalt der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer/Gewerkschaft mit ganzem Gewicht auf der Reformbremse. Letztere fürchten um ihre Kollektivverträge, Erstere bangt um Einfluss und Einnahmen.

Schließlich führt das völlig entgleiste Gewerbescheinsystem dazu, dass die 610.000 Gewerbetreibenden über 800.000 Gewerbescheine benötigen. Die Kammergrundumlage wird pro Gewerbeschein, nicht pro Betrieb fällig. Die Formel „Ein Gewerbeschein pro Betrieb“ könnte die Kammer also einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Einnahmenausfällen kosten.

In diesem Licht muss man auch die Argumente sehen, wonach eine weitgehende Liberalisierung der Gewerbeordnung die Qualität der angebotenen Leistungen verschlechtern und den Konsumentenschutz untergraben würde. Beides Umstände, die sehr leicht durch flankierende Maßnahmen abzufangen sind, jedenfalls aber nicht Gegenstand von Berufszutrittshindernissen sein können.


Die Gewerbeordnung ist also schwer reformbedürftig, und man muss es der Regierung hoch anrechnen, dass sie jetzt den Schritt von der Sonntagsrede zur Umsetzung wagt. Enttäuschend ist freilich, was dabei herauskommt: Das kosmetische Minireförmchen, das man uns in der kommenden Woche wahrscheinlich präsentieren wird, ist wohl ziemlich genau das Gegenstück einer zukunftsträchtigen Reform.

Diese könnte so aussehen: Reglementiert bleiben nur Gewerbe, deren nicht fachgerechte Ausführung echtes Gefährdungspotenzial für die Kunden beinhaltet. Das wären 14 bis 16, also ungefähr so viele, wie zur Zeit der damals modernen Gewerbeordnung Franz Josephs I. Der Rest ist per Universalgewerbeschein frei zugänglich.

Der Konsumentenschutz wird durch verschärfte Haftungsbedingungen beziehungsweise durch eine obligatorische Haftpflichtversicherung sichergestellt. Das wäre übrigens eine deutliche Besserstellung gegenüber jetzt, wie jeder weiß, der einmal versucht hat, beispielsweise eine pfuschende Baufirma, die per leicht in Konkurs zu schickende Projektgesellschaften operiert, zur Verantwortung zu ziehen.

Im Verein mit Erleichterungen bei Betriebsanlagengenehmigungen wäre das eine echte Entbürokratisierung und eine starke Förderung des Unternehmertums. Dass die Sozialpartner dabei an Einfluss und Geld verlören – nun, das ist wirklich nicht das Problem des Gesetzgebers. Obwohl: Die Regierung scheint das anders zu sehen, wie man am zögerlichen Reformwillen sieht.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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