Die trügerische Verlockung abgeschotteter Märkte

Ohne freien Handel bleiben mehr Jobs im Inland, so das Versprechen von Trump und anderen Populisten. Das kann sich am Ende bitter rächen.

Eigentlich war es keine große Überraschung, was der designierte US-Präsident, Donald Trump, in seinem zweieinhalb Minuten langen Video in der Nacht auf Dienstag bekannt gegeben hat. Neben Verschärfungen bei der Immigration und Erleichterungen für die Förderung fossiler Energie will Trump auch das pazifische Freihandelsabkommen TPP aufkündigen. Drei Punkte, die er bereits regelmäßig in seinem Wahlkampf versprochen hat und für die er auch gewählt wurde.

Anders als bei Immigration und Energie dürfte er bei seiner Volte gegen den Freihandel aber eine breite Mehrheit hinter sich haben – auch in Europa. Denn das geplante Abkommen zwischen EU und den USA, TTIP, dürfte nun ebenfalls tot sein. Und wenn es einen Punkt gibt, der linke Trump-Gegner und rechte Befürworter eint, dann ist es ihre tiefe Ablehnung gegen alles, was mit globaler Liberalisierung zu tun hat. Seien es stagnierende Löhne, sei es die steigende Arbeitslosigkeit – schuld daran ist die Globalisierung, so die einfache Formel. Und Freihandelsabkommen eignen sich gut als Zielscheibe für diese nebulöse Wut, weil sie greifbar sind und aufgrund ihrer Komplexität nur schwer verteidigt werden können.

Das Aufkündigen von TPP ist daher wohl eine der populärsten Maßnahmen Trumps. Ein Fehler ist es trotzdem, sowohl politisch als auch ökonomisch. Politisch, weil TPP den Hintergedanken hatte, Asien wieder stärker an die USA zu binden. Auch wenn das auf den ersten Blick für Menschen auf der anderen Seite der Erdkugel irrelevant aussieht, sollte es in unserem Interesse sein, wenn westliche Werte möglichst stark auf der ganzen Welt vertreten sind. China hat kein Problem mit Menschenrechtsverletzungen in Partnerländern. Und China wird künftig den Ton in Asien definitiv stärker angeben.

Aber auch ökonomisch ist eine Abkehr vom Freihandel nicht sinnvoll. Allerdings ist hier die Situation etwas komplizierter. Für Volkswirtschaften waren Globalisierung und die in der Vergangenheit abgeschlossenen Freihandelsabkommen ein Gewinn. Darin sind sich sämtliche Ökonomen einig. So brachte etwa das ebenfalls von Trump kritisierte nordamerikanische Abkommen Nafta der US-Wirtschaft ein Plus von einem halben Prozentpunkt – immerhin 80 Milliarden Dollar. Österreichs EU-Beitritt (der den EU-Binnenmarkt brachte) wirkte sich bisher in Summe sogar mit 7,2 Prozentpunkten positiv auf das heimische BIP aus.

Aber auch der Einzelne hat in der Regel durch die globale Arbeitsteilung gewonnen. Durch geringere Preise ist der Lebensstandard gestiegen – selbst wenn die Reallöhne stagnierten. Dieser Positiveffekt ist jedoch nicht so gut sichtbar. Weitere Gewinner sind die Einwohner der Entwicklungs- und vor allem der Schwellenländer. Dort wurden mehr Jobs geschaffen. Die Zahl der Weltbevölkerung, die von weniger als zwei Dollar pro Tag leben muss, verringerte sich so seit 1990 von 37 auf unter zehn Prozent.

Aber es gibt eben auch Globalisierungsverlierer. Und zwar jene Menschen, deren Jobs durch Produktionsverlagerungen verschwunden sind. Meist handelte es sich dabei um angelernte Tätigkeiten in Lowtech-Industrien. Da dieses Segment auf dem Arbeitsmarkt stetig schrumpft, haben Schlechtausgebildete zunehmend ein Problem. Etwa die Hälfte aller Arbeitslosen in Österreich hat nur den Pflichtschulabschluss.

Die Antwort von Trump und den europäischen Populisten von links und rechts (die sich in dieser Frage ja vollkommen einig sind) lautet: Grenzen zu. Das würde diese Jobs zurückholen. Dass diese Taktik langfristig zum Scheitern verurteilt ist, braucht man sich nur am Beispiel der Vorarlberger Textilindustrie vorzustellen: Würden dort wieder Hemden und T-Shirts zu heimischen Löhnen gefertigt, wären diese aufgrund der hohen Kosten wohl unverkäuflich.

Die Lösung liegt daher auch im Vorarlberger Beispiel: Die Kinder der Textilarbeiter von einst arbeiten heute als gut ausgebildete Fachkräfte in Hochtechnologiebetrieben. Nur durch diesen Strukturwandel kann die Industrie in einem Hochlohnland bestehen bleiben. Wird dieser durch eine künstliche Abschottung verzögert, kann er schlussendlich noch wesentlich schmerzhafter werden.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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