Du sollst deine Bürger nicht ungestraft bürgerbefragen

Parken in Döbling
Parken in Döbling(c) Clemens Fabry
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Döbling hat entschieden: Die Mehrheit spricht sich gegen ein Parkpickerl aus. Das Ergebnis überrascht. Und lässt nicht nur den Bezirkschef ratlos zurück.

Die beiden zur Wahl stehenden Konzepte können unterschiedlicher nicht sein. Eine echte Wahlmöglichkeit, eine bedeutende Richtungsentscheidung also, positiv betrachtet. Mit dem Ergebnis wird so oder so in den nächsten Jahren zu leben sein – von ziemlich genau der Hälfte wohl eher mit zusammengebissenen Zähnen. Selten wurde im Vorfeld über ein Thema privat und öffentlich so emotional debattiert. Sogar langjährige Freundschaften sollen einer Probe unterzogen worden sein.

Wir sprechen, wer könnte anderes vermuten?, einmal von den wirklich wichtigen Dingen: der nun zu Ende gegangenen Bürgerbefragung in Döbling, natürlich, wovon denn sonst? Nein, nicht zu so läppischen Themen wie Bezirkszusammenlegung, Verkleinerung der politischen Gremien (Bezirksvertretung, Gemeinderat,. . .), Abschaffung der sogenannten nicht amtsführenden Stadträte etc. Sondern der Befragung zu einer anderen Wiener Skurrilität der Extraklasse, dem Parkpickerl.

Der Ausgang wird von der APA als äußerst knapp interpretiert: 51,6 haben sich in der Befragung im 19. Bezirk also gegen die Einführung der Parkraumbewirtschaftung entschieden, so der camouflierende offizielle Titel. Sollte Ihnen einmal die Gnade zuteilwerden, der Wiener Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, zu begegnen, dann machen Sie den Test: ob sie weiß, wann wo welche Richtlinien für das Abstellen von Fahrzeugen gelten. Sie wird wahrscheinlich spätestens bei Rudolfsheim-Fünfhaus mit dem Sonderfall Stadthallen-Umgebung scheitern.

Als gescheitert muss aber die Wiener Politik zur Parkraumbewirtschaftung insgesamt gelten. Nicht erst seit der Döblinger Befragung. Selbst Wiener, die ja im Umgang mit Bürokratie von Kindheitstagen einer besonders gründlichen Schulung durch das hochlöbliche Magistrat unterzogen werden, wissen, kaum verlassen sie ihren Heimatbezirk, nur in seltensten Fällen, wann sie (noch) gratis parken dürfen. Oder ob sie sich mit ihrem Auto in einer Einkaufsstraße, einer Zone mit Parkraumbewirtschaftung, einer Überlappungszone in beziehungsweise mit einem anderen Bezirk oder gar einem Gebiet mit einer zusätzlichen Sonderregelung befinden. Von den Problemen für jene besonders Unvorsichtigen, die aus dem Rest Österreichs oder gar dem Ausland per Auto nach Wien anreisen, wollen wir erst gar nicht sprechen. Die Umstände stellen natürlich ein Dorado für jene dar, die dieses fein und unübersichtlich gesponnene Netz zu überwachen haben, speziell für die hoch verschuldete Stadt Wien, die die Strafgelder lukriert.

Dabei hätte sie es in der Hand, eine einheitliche, nachvollziehbare, transparente Lösung zu finden. Allein, es fehlt der politische Wille dafür. Genauer: die politische Kraft. Denn in einem muss der für den Verkehr zuständigen Stadträtin Vassilakou voll und ganz recht gegeben werden: Die Agenden für das Parkpickerl müssten – auch wenn sich manche davor schrecken – den Bezirken entzogen werden. Wie übrigens generell die Aufgabenzuweisung zwischen Rathaus und Bezirken endlich einmal nicht nur überdacht, sondern neu geregelt werden sollte. Wenn es denn politischen Gestaltungswillen dafür gäbe. Ein willkürlich gewähltes Beispiel: Die Renovierung von Schulen fällt in die Kompetenz des Bezirks (Warum eigentlich?), der Neubau aber wieder in die Zuständigkeit der Stadt (Weshalb nun dieses?).

Ein Mann, der seit – Rekord! – 38 Jahren (in Worten: achtunddreißig) als Bezirksvorsteher Döblings alle Wiener Spezialitäten und die Stimmung seiner Wähler im kleinen Finger hat, ist Adolf Tiller. Er reagiert nun überrascht und enttäuscht. Denn er hat fest damit gerechnet, dass die Döblinger mehrheitlich das Parkpickerl verlangen werden. Der kommunalpolitische Vollprofi, der schon so viele Stürme in der kleiner und kleiner werdenden Wiener ÖVP erlebt und mitentfacht hat, durfte auch mit seinen 77 Jahren dazulernen.

Die Lektion: Du sollst deine Bürger nicht ungestraft bürgerbefragen. Am Ende geben sie Antworten, mit denen nicht zu rechnen war. Wir sehen, wie unübersichtlich die politische Welt geworden ist, sei sie noch so klein – nicht nur für Meinungsforscher und Journalisten.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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