Franziskus und der Ungehorsam seiner Kardinäle

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Der Papst beginnt also ein neues Lebensjahr. Acht Thesen zum 80. Geburtstag des Mannes, der vom anderen Ende der Welt über Rom gekommen ist.

Selbstredend, große Feierlichkeiten hat sich der Papst an diesem Samstag verbeten. Das eine oder andere Zugeständnis konnte ihm abgerungen werden, um den 80. Geburtstag nicht gänzlich unbeachtet vorbeigehen zu lassen. Am Vormittag wird sich Franziskus in den von ihm als Wohn- und Arbeitssitz so gar nicht geschätzten Apostolischen Palast begeben, um eine Messe in der Cappella Paolina mit Kardinälen zu feiern. Hier acht Thesen zum 80. Geburtstag des Oberhaupts von mehr als einer Milliarde Katholiken.

1. Der Papst ist an seinem Amt nicht zerbrochen: Giorgio Maria Bergoglio wurde ja nicht nur nicht aus der Kurie auf den Stuhl Petri berufen. Er kam von weit her über Rom, sehr weit. Daher haben nicht wenige prophezeit, er werde unter den für ihn unbekannten Herausforderungen einbrechen. Er werde vom System Vatikan glattgeschliffen oder verschluckt. Von der Weigerung, sich nach der Wahl die Mozetta über die Schultern legen zu lassen bis zur Fußwaschung für eine Muslimin ist sich Franziskus treu geblieben.
2. Der Widerstand gegen den Papst ist nicht gebrochen: Gleichzeitig setzen sich die Kämpfe im Vatikan gegen den Papst unvermindert fort. Der Ungehorsam eines Kardinalsquartetts (Helmut Schüller sieht sich als vergleichsweise säuselnder Zwischenrufer rehabilitiert) sucht seinesgleichen. In einem an Franziskus gerichteten, der Öffentlichkeit zugespielten Brief sehen sie Verwirrung unter Gläubigen über die Lehre hinsichtlich Geschiedener, die zivilrechtlich wieder geheiratet haben.
3. Franziskus ist der beste Botschafter der Kirche: Die Beliebtheit des Papstes ist ungebrochen – was sich bei Generalaudienzen ebenso zeigt wie beim Blick in Medien. Mit seinen Gesten, dem Zugehen auf Menschen und der einfachen Sprache („wie ihm der Schnabel gewachsen ist“, © Kardinal Schönborn) holt er sich Pluspunkte.
4. Die Franziskanische Wende in der katholischen Kirche ist unumkehrbar: Zuletzt hat der Papst positiv sanktioniert, was in Österreich und anderen westeuropäischen Ländern seit Jahrzehnten Praxis ist. Geschiedene, die neu geheiratet haben, werden nach Einzelfallprüfung zu Sakramenten zugelassen. Und: Frauen, die abgetrieben haben, sind zwar aus der Kirche ausgeschlossen. Dieser Bann kann aber von jedem Priester aufgehoben werden. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, dass Franziskus das Wort Barmherzigkeit großschreibt. Dazu kommt (bereits so selbstverständlich, dass es kaum einer Erwähnung wert scheint) die Zuwendung zu Armen, Kranken, Flüchtlingen.
5. Franziskus wird als großer Papst in die Kirchengeschichte eingehen: Allein schon weil er kein Europäer ist, als erster Papst den Namen Franziskus führt und dem Jesuitenorden angehört, ist ihm ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher.

Er wird auch als jener Papst in Erinnerung bleiben, der nach Johannes Paul II. und Benedikt XVI. – die auf der Bremse standen, manchmal den Retourgang eingelegt haben – das Vatikanische Konzil mit Entschiedenheit verwirklicht sehen wollte.
6. Der Papst steht in Gefahr, von Beliebtheit in Beliebigkeit zu kippen: Bei den von Rom getrennten Piusbrüdern könnte die Anwendung der von Franziskus betonten Barmherzigkeit zu Verwerfungen führen. Dann, wenn er diesen eine Rückkehr erlauben wird, obwohl sie das Konzil in wichtigen Teilen ablehnen.
7. Franziskus hat ein situationselastisches Amtsverständnis: Einerseits bezeichnet er sich als Bischof von Rom, beruft Bischofssynoden ein, nimmt die Debatten in einem Schreiben auf und betont, nicht alles lehramtlich in Regeln gießen zu wollen. Andererseits ändert er mit einem Federstrich lehramtliche Festlegungen, wie bei den Geschiedenen geschehen.
8. Die Agenda des Papstes ist noch lang. Bestenfalls Bruchstück ist die angekündigte Kurienreform geblieben. Zur Antwort auf die Frage, ob es (wie in der frühen Kirche) wieder Diakoninnen geben solle, hat eine Kommission gerade erst ein Mal getagt. Die Kluft zur Jugend wiederum vermochte Franziskus trotz Massenveranstaltungen nicht zu schließen. Diesem Thema soll sich übrigens die nächste Bischofssynode widmen. Denn: siehe Punkt eins.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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