Mister Trump, legen Sie das Handy aus der Hand!

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Der neue Präsident begreift Politik als Ego-Show. Statt sich in einem abstrusen Twitter-Kleinkrieg zu verheddern, muss er das Regierungsgeschäft lernen.

Ausgiebig zelebriert Barack Obama seinen Abschied aus dem Weißen Haus, so, als könnte er sich nur schwer von dem Amt trennen – umso mehr, als er es einem Nachfolger überlässt, den er im Wahlkampf als völlig unqualifiziert bezeichnet hat. Auf glamourösen Partys, in Interviews und nicht zuletzt in seiner Abschiedsrede an die Nation just aus Chicago, wo einst sein Stern aufgegangen ist, lässt er seine achtjährige Amtszeit Revue passieren. Es geht ihm um die Deutungshoheit für die Geschichtsbücher und darum, sich als Gegenpol zu einem Mann zu präsentieren, der in jeder Hinsicht sein Gegenteil verkörpert. Der Präsident konterkarierte die Politik Donald Trumps zuletzt in zentralen Punkten; er provozierte ihn mit der Behauptung, er hätte eine (verfassungswidrige) Wiederwahl souverän gewonnen; und er ermahnte ihn, die Präsidentschaft sei kein Familiengeschäft.

Obama hat tatsächlich eine Schwachstelle der Trump-Regierung ausgemacht. Nicht genug damit, dass der designierte Präsident Ex-Generäle mit zwielichtigem Ruf wie den Sicherheitsberater Michael Flynn und in Interessenkonflikte verstrickte Industrie-Tycoons wie Außenminister Rex Tillerson nominiert hat, deren Bestätigung er jetzt im Eiltempo durch den Senat zu peitschen gedenkt. Beinahe bis zum letzten Augenblick, fast verschämt wegen der Nepotismusvorwürfe, hat er zugewartet, um seinen Schwiegersohn zu seinem Sonderberater zu berufen. Jared Kushner, dem Erben eines prominenten, ursprünglich demokratischen Immobilienclans, fehlt zwar jede politische Erfahrung jenseits des Wahlkampfmanagements. Doch in der Wahlkampagne hat er sich als rechte Hand das absolute Vertrauen seines Schwiegervaters erworben, und hinter den Kulissen übt er schon jetzt beträchtlichen Einfluss aus – etwa in der einseitigen Israel-Politik.

Jeder Präsident hat das Recht, sein Team nach seinem Gutdünken zusammenzustellen. Das neue Kabinett, eine Regierungsmannschaft im durchaus wörtlichen Sinn, muss sich erst beweisen. Gegen das Trump-Team, weitgehend eine Mischung aus Amateuren, Industriebossen und Demagogen wie der Wahlkampf-Mastermind Stephen Bannon, mutet George W. Bushs Kabinett wie eine Ansammlung von Vollprofis an. Wer von ihnen hat das Zeug und die Courage, den Egomanen Trump im Zaum zu halten? Wer kann positiv überraschen? Am ehesten könnte ausgerechnet Jared Kushner die Rolle des Trump-Bändigers zufallen. Die Hoffnung vieler Republikaner jedenfalls, wonach Vizepräsident Mike Pence die Amtsgeschäfte führen und sich Donald Trump darauf beschränken möge, die Grundzüge der Politik vorzugeben und die großen Entscheidungen zu treffen, könnte sich als trügerisch erweisen.


Das Problem besteht bisher ohnedies ja eher darin, dass der New Yorker Milliardär die Politik als Ego-Show begreift und die Würde und Bürde des Präsidentenamts verkennt. Nur unmittelbar nach der Wahl, bei der ersten Audienz im Weißen Haus, zeigte er einen Anflug von Demut angesichts der Mammutaufgabe als Führer der westlichen Welt. Statt sich ernsthaft mit den Geheimdienstberichten über die Cyberangriffe Russlands zu beschäftigen oder sich mit der diffizilen Weltlage und Strategien auseinanderzusetzen, zieht Trump die Herausforderung durch Wladimir Putin ins Lächerliche.

Lieber ergeht er sich in großsprecherischen Ankündigungen – und noch eifriger verheddert sich der Narzisst in einem abstrusen Twitter-Kleinkrieg gegen halb Hollywood, gegen Meryl Streep, Alec Baldwin oder Arnold Schwarzenegger. Der Ex-Gouverneur, der seine Reality-TV-Show übernommen hatte, rief ihm als Parteifreund und deklarierter Gegner süffisant ein Zitat Abraham Lincolns, des republikanischen Säulenheiligen, in Erinnerung: „Wir dürfen keine Feinde, wir müssen Freunde sein.“ Und Obama-Fan George Clooney ließ ihm ausrichten: „Sollten Sie nicht das Land regieren?“

Der wichtigste Rat müsste darum lauten: „Mister Trump, legen Sie das Handy aus der Hand!“ Im permanenten Angriffsmodus in eigener Sache lässt sich kein Staat machen. Bei seiner Pressekonferenz hat Donald Trump heute die Chance, sich der Größe des Amts endlich als würdig zu erweisen, seine Kritiker zu überzeugen und die Nation zu versöhnen. Es wird schwierig genug werden.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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