Das Weiße Haus als Blackbox

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US-POLITICS-TRUMPAPA/AFP/BRYAN R. SMITH
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Donald Trump ließ wenige Tage vor seiner Inauguration erneut ernsthafte Zweifel an seiner Eignung für das Amt als US-Präsident aufkommen. Die Hoffnung ruht auf seinem Kabinett.

Der Welt stehen aufregende Zeiten bevor. Wenige Tage vor seiner Angelobung am 20. Jänner befeuerte Donald Trump die Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für das Amt des US-Präsidenten. In einer denkwürdigen Pressekonferenz konnten sich die staunenden Zuschauer ein Bild davon machen, wie der künftige Anführer der Weltmacht reagiert, wenn er in die Defensive gerät: aggressiv, dünnhäutig, narzisstisch und autoritär.

Unmittelbar vor seinem Auftritt waren Berichte aufgetaucht, denen zufolge der russische Geheimdienst kompromittierendes Material mit sexuellen Details gegen Trump in der Hand habe. Anstatt die Schmuddelgeschichten, für die kein Beweis vorliegt, in aller Ruhe zu dementieren, holte der designierte Präsident zu zornigen Rundumschlägen aus: gegen seriöse Medien wie CNN („Ihr seid Fake News“) und gegen die US-Nachrichtendienste („Leben wir in Nazi-Deutschland?“), denen er spekulativ vorwarf, die seit Monaten kursierenden Memos eines britischen Ex-Agenten der Öffentlichkeit zugespielt zu haben. Zwischendurch erging er sich in penetrantem Eigenlob („Ich werde der größte Jobproduzent, den Gott je schuf“), ließ Drohungen gegen die Pharmaindustrie vom Stapel und wiederholte seine Macho-Ankündigung, Mexiko eine Grenzmauer bauen zu lassen. Bizarr fiel auch die Erläuterung aus, wie Trump Interessenkonflikte mit seiner Firma zu vermeiden gedenkt: Er stellte bei der Pressekonferenz keine unabhängige Treuhandlösung vor, sondern seine Söhne Donald Junior und Eric als neue Bosse.

Wann immer Trump in den kommenden vier Jahren das Wort ergreifen oder 140 Zeichen auf Twitter schreiben wird, sind derbe Zirkuseinlagen dieser Art zu befürchten. Der Mann kann offenbar nicht anders. Doch Psychogramme aus der Ferne und Panikattacken helfen auch nicht weiter. Trump ist nun einmal Präsident, und man wird ihn an Taten messen müssen, nicht an wirren Worten.

Grund zur Hoffnung geben jedoch die Hearings seiner Regierungskandidaten im Kongress, die – angepasst an ihren Auftrittsort – deutlich von Wahlkampfpositionen ihres Chefs abwichen. Der Außenminister in spe, Rex Tillerson, bekannte sich zum Klimapakt, lehnte Einreiseverbote für Muslime ab, bezeichnete die US-Verpflichtungen gegenüber der Nato als unverbrüchlich und Russland als Gefahr. Verteidigungsminister John Mattis unterstützte das Iran-Atomabkommen, das Trump als dumm bezeichnet hatte. Und Innenminister John Kelly zweifelte, ob eine Mauer vor Mexiko der Weisheit letzter Schluss ist. Keine Frage: Trump wird als Präsident das letzte Wort haben. Doch er hat auch Personen um sich geschart, die zu eigenständigen Vernunftgedanken fähig sind.

Illusionen sollte man sich indes nicht hingeben. Die Ära Trump wird eine Zäsur bedeuten. Die Frage ist nur, wie tief sie geht. Trump wird zwar möglicherweise mehr Kontinuität zeigen als gedacht, doch sicher auch die bisherige Praxis unorthodox und frontal infrage stellen: von der Gesundheits- und Justiz- bis hin zur Außen- und Handelspolitik. Das kann zu produktiven Impulsen führen oder in den Abgrund. Das Weiße Haus wird nach dem 20. Jänner einer Blackbox gleichen. Keiner weiß, was herausspringt.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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