Donald Trump macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

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Die Diskussion um „alternative Fakten“ zeigt, wie sehr der neue US-Präsident in seiner eigenen, tatsachenbefreiten Welt lebt. Das ist gefährlich.

Man könnte meinen, dass es viele wichtige Dinge gibt, mit denen sich ein US-Präsident beschäftigen muss. Umso mehr, wenn ein Polit-Amateur mit wenig relevanter Vorbildung das Amt gerade übernommen hat. Nicht so Donald Trump. Ihn trieb am Wochenende nur eine Frage um: Wer hat die größere? Gemeint ist: die Menschenmenge bei der Inauguration. Die Tatsache, dass signifikant mehr Menschen zur Vereidigung seines Vorgängers, Barack Obama, als zu seiner eigenen gekommen waren, war für den Neostaatschef offensichtlich nicht zu verkraften. Die Reaktion: Realitätsverweigerung, die sich in den Worten von Pressesprecher Sean Spicer verdichtete: „Das war das größte Publikum, das jemals bei einer Vereidigung dabei war, sowohl vor Ort als auch weltweit – Punkt.“ Für jeden anderen wäre das eine glatte, einfach zu enttarnende Lüge. Nicht so für Donald Trump. In der neuen US-Administration sind das ab jetzt „alternative Fakten“ (Copyright: Trump-Beraterin Kellyanne Conway).

Leider aber wäre es zu einfach, diese Wirklichkeitsverdrehung als ein nicht ernst zu nehmendes Hoppala von Stümpern abzutun. Im Gegenteil: Das dürfte ein Vorgeschmack auf die kommenden Jahre gewesen sein.

Die Episode über die Zahl der Inaugurationsbesucher hat zunächst einmal eindrucksvoll bewiesen, wie sehr Donald Trump in seiner eigenen Welt lebt. Einer faktenbefreiten Parallelwelt, in die nur das Einlass findet, was ihn in seinem größenwahnsinnigen Selbstbild bestätigt. Das Prinzip lässt sich auf die kurze Formel zusammenfassen: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Alles, was stört, wird ab jetzt durch „alternative Fakten“ ersetzt. Wie befreiend!

Wir wissen seit dem Wochenende auch, dass sich in der Welt des Donald Trump sogar selbst geschaffene Tatsachen quasi „situationselastisch“ anpassen lassen. Die auf seinem Twitter-Account öffentlich nachzulesende Beschimpfungen der Geheimdienste tat er bei seinem Auftritt vor der CIA prompt als eine Erfindung der Medien ab.

Damit machen Trump und seine Mitstreiter das, was sie den Medien selbst so gern vorwerfen: bewusst Falschmeldungen zu verbreiten. Mit anderen Worten: Fake News. Insofern sind „alternative Fakten“ die Weiterentwicklung und das Gegenstück zum Fake-News-Vorwurf – der freilich immer dann gegen die Medien ins Feld geführt werden wird, wenn sie „alternative Fakten“ als falsch entlarven.

Die Frage ist, wohin das führen wird. Wie groß die Menschenmenge am vergangenen Freitag wirklich war, ist vergleichsweise unwichtig (und Zeitverschwendung für einen Präsidenten). Was aber passiert, wenn es um wirklich relevante Dinge geht? Wird er darauf bestehen, dass die Arbeitslosigkeit gesunken ist, wenn sie in Wahrheit steigt? Oder wird er vielleicht den Syrien-Krieg leugnen, um sich von diesem Problem zu befreien? Klingt absurd. Ist es auch. Aber ausschließen lässt sich nichts mehr.


Die Kriegserklärung von Donald Trump an die Medien als spontane Reaktion eines gekränkten Narzissten zu interpretieren greift aber zu kurz. Die Angriffe haben System – und die unmissverständliche Drohung von White-House-Sprecher Spicer deutet darauf hin, dass der Krieg erst begonnen hat. In den Medien werde viel darüber geredet, wie Trump zur Rechenschaft gezogen werden könne. „Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass das für beide Seiten gilt. Wir werden die Medien ebenso zur Rechenschaft ziehen“, wetterte er. Mit dem Dauerfeuer gegen die Journalisten will sich die Trump-Administration immun gegen jegliche mediale Kritik machen – Stichwort „Lügenpresse“.

Trotzdem könnte der Herr über die Alternativfakten im Weißen Haus ausgerechnet für den Qualitätsjournalismus eine Chance bedeuten. In einer Zeit, in der selbst ein US-Präsident Tatsachen leugnet, sind gut recherchierte Wahrheiten wichtiger denn je. Über zu wenig Arbeit – auch das eine Lehre aus dem Wochenende – dürften sich Journalisten in den kommenden Jahren kaum beklagen. Und damit könnte Trump letztlich das stärken, was er am heftigsten bekämpft.

E-Mails an:julia.raabe@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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