Christian Kern, der Schüssel 4.0

Christian Kern
Christian KernAPA/HELMUT FOHRINGER
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Hornberger Schießen oder neuer Führungsstil: Christian Kern gibt den Regierungs-CEO. Er dürfte nur vergessen haben, dass seine Vorstände nicht von ihm eingesetzt wurden.

Der Jung-Kanzler zögert dieser Tage nicht, sich frühere Regierungschefs zum Vorbild zu nehmen. Das Alles-wird-gut-Mantra und das Versprechen, der (Sozial)-Staat löse alle Probleme, kannte Christian Kern noch von Bruno Kreisky. Stilistisch orientierte er sich kühl an Franz Vranitzky – der Staatsbesuch nach Israel war auch schon gebucht.

Doch seit wenigen Tagen wandelt er auf den Spuren Wolfgang Schüssels. Nein, nicht wie manche Kommentatoren meinen als knallharter Pokerspieler im Kanzleramt. Dafür ist sein Blatt zu schwach, die Karten von Heinz-Christian Strache und von Sebastian Kurz sind vermutlich zu gut. Nein, Kern bemüht sich emsig, einen echten Regierungschef zu geben. Wolfgang Schüssel regierte einst seine Mannschaft wie ein Vorstandsvorsitzender, verteilte Arbeitsaufträge an einzelne Teams, die bis zu bestimmten Stichtagen konkrete Ergebnisse zu liefern hatten. Der Kanzler kümmerte sich während dessen um das große Ganze, widmete sich internationalen Kontakten und gönnte sich winters sogar einen Skitag unter der Woche. Seine SPÖ-Nachfolger ließen ihre Solisten vor sich hinwerken. Unter Werner Faymann hatte man zuletzt sogar den Eindruck, es gäbe mehrere Regierungsfraktionen, die sich nur einmal pro Woche zufällig träfen. Nicht zwecks Abstimmung, sondern Abgrenzung. Josef Ostermayer kümmerte sich um ein paar Themen im stillen Kämmerlein.

Christian Kern ist hingegen Ressourcen, Personal und großen Bahnhof von den ÖBB gewohnt, er behandelt nun Minister und Koalitionspartner wie als CEO einst seine Mitarbeiter. Das ist eine gute Idee, ohne klare Hierarchie und Zielsetzungen geht in keiner Firma etwas weiter. Daher wäre es im Zuge einer notwendigen Reform unserer politischen Spielregeln nicht nur sinnvoll, über die Einführung eines Mehrheitswahlrechts wie von Kern vorgeschlagen oder die klare Festlegung der Kompetenzen des Bundespräsidenten nachzudenken, sondern auch die Aufwertung des Kanzlers mittels Richtlinienkompetenz zu beschließen. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zu Schüssel und seiner Truppe: Selbst die trotzigsten FPÖ-Minister respektierten Schüssel als Leitwolf, die meisten aktuellen ÖVP-Minister halten Kern aber für einen besseren SPÖ-Sekretär im Anzug des Verstaatlichten-Geschäftsführers. Respekt schwingt da kaum mit. Zumal es politisch in den Verhandlungen wieder ernsthafte Differenzen gab: Die ÖVP will Asylzahlen und Einwanderung radikal und verbindlich verkleinern. Finanzminister Schelling muss seine Aufgabe erfüllen und das Defizit nicht vollends freigeben. Viel spricht dafür, dass die Verhandlungen ausgehen wie das gute alte Hornberger Schießen: viel Rauch, viel Lärm, wenig substanzielle Erfolge. Oder aber Kern hat doch keine Angst vor der eigenen Courage, und wir wählen bald zwischen ihm, Sebastian Kurz und der FPÖ. Diese Entscheidung rasch zu fällen, wäre in keinem Fall schlecht.

Übrigens: Wolfgang Schüssel brach zwei Mal Neuwahlen vom Zaun. Einmal scheiterte er kolossal mit einem ehrlich gemeinten Budgetsanierungskurs, einmal erwischte er den Juniorpartner am falschen Fuß und schaffte Platz eins. Nur so als Erinnerung.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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